Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Praxis

Martina Haubrich und Claudia Schröter von CALA Film im Gespräch über European Co-Development

  • Martina Haubrich und Claudia Schröter

    Martina Haubrich und Claudia Schröter © Claudia Weidemann

Noch bis zum 6. März 2024 haben Produzent:innen die Möglichkeit, einen Antrag im Förderbereich „European Co-Development“ zu stellen. Zu den Produktionsfirmen aus Deutschland, die sowohl mit der alten „Single Project“-Förderung als auch mit dem aktuellen „European Co-Development“-Aufruf Erfahrung gemacht haben, gehört CALA Film mit Sitzen in Berlin, Erfurt und Darmstadt. Im Interview geben die Produzentinnen und Geschäftsführerinnen Martina Haubrich und Claudia Schröter einen Einblick, wie sie als Unternehmer:innen Development verstehen und umsetzen – und warum sie sich für ein Projekt für die Förderlinie „European Co-Development“ entschieden haben.

2018 erhielt CALA Film für KLANDESTIN/TURNING TABLES die damalige „Single Project“-Förderung. Regisseurin der 2023 abgedrehten Kinoproduktion, u.a. mit Barbara Sukowa und Lambert Wilson in den Hauptrollen, ist Angelina Maccarone. Die neue European Co-Development-Förderung bekommt die Produktionsfirma nun für die Animationsserie ERNA – VOLLE FAHRT VORAUS von Creator Viola Lippmann.

Creative Europe Desk Berlin-Brandenburg: Wo liegt der Schwerpunkt von CALA Film? Welche Vision verfolgt die Firma?

Martina Haubrich und Claudia Schröter: Wir wählen alle CALA Film-Projekte – ob Kinofilme (Doku- und Spielfilm) oder Serien – unter dem Gesichtspunkt aus, sie in Europa und am liebsten auch darüber hinaus auswerten zu können. Alle Projekte sind Autor:innen-Werke und unsere Vision ist es, diese starken und eigenwilligen Stimmen zu unterstützen und auf dem Weg der Entwicklung bestmöglich zu begleiten.

Welchen Stellenwert haben Koproduktionen, hat die internationale Zusammenarbeit bei ihren Projekten?

Koproduktionen spielen eine wichtige Rolle. Ein Projekt sehr früh mit internationalen Partnern zu entwickeln, gibt uns die Gelegenheit einen anderen Blick auf die Stoffe und Themen zu erhalten und die Autor:innen bei der Entwicklung der Drehbücher bestmöglich zu unterstützen und zu begleiten. Eine Koproduktion muss allerdings auch Sinn ergeben. Für uns kommt das nur in Frage, wenn es auch inhaltlich passt. Es muss eine inhaltliche oder künstlerische Komponente geben, die die Auswahl der Koproduzent:innen bestimmen. Denn nur, wenn es solche Verbindungen gibt, hat man die Aussicht ein Projekt auch gemeinsam zu realisieren.

Wie lange dauert die Projektentwicklung bei CALA Film in der Regel?

Das Wichtigste ist es, Drehbücher so lange zu entwickeln wie es notwendig ist und bis sie das Potential haben auch international Unterstützung zu finden. Es braucht seine Zeit das richtige Team zusammenzustellen und die bestmöglichen Bedingungen für ein Projekt zu schaffen. Das kann je nach Budget und Thema einige Jahren dauern, bei uns war bisher die längste Zeit sieben Jahre. Eine Regel gibt es dafür ja nicht ... Wenn man eine lange Drehbuchphase hatte und dann in die Finanzierung geht, heißt das ja, dass wir an unsere Projekte glauben und dafür kämpfen, dass sie gemacht werden.

CALA Film hat in der Vergangenheit von Creative Europe MEDIA sowohl eine „Single Project“-Förderung erhalten (KLANDESTIN/TURNING TABLES) als auch die neue European Co-Development-Förderung für ERNA – VOLLE FAHRT VORAUS: Worin sehen Sie den Reiz und das Potential der neuen Förderung?

Die Single-Förderung für KLANDESTIN/TURNING TABLES hat uns die Gelegenheit gegeben das Drehbuch weiter und auch mit internationalen Partnern zu entwickeln Zum Beispiel haben wir das Drehbuch bei eQuinoxe entwickelt und konnten dadurch sehr wichtige Impulse erhalten. Durch die Pandemie hat sich Vieles an der ursprünglich geplanten Finanzierungstruktur geändert, die wir mit Hilfe der finanziellen Unterstützung der Förderung navigieren konnten. Bei ERNA – VOLLE FAHRT VORAUS sind wir mit Hilfe der Co-Development Förderung in der Lage, das Projekt in der Entwicklungsphase mit den besten Ressourcen beider Seiten weiterzuentwickeln. Gerade bei einer Animationsserie ist das besonders wichtig.

Wo liegen die Herausforderungen und Hürden?

Aufgrund der langen zeitlichen Abläufe muss man sich sehr genau überlegen, in welchem Stadium man ein Projekt bei der Entwicklungsförderung einreicht. Das Potential muss erkennbar sein, die Zeit bis zur Entscheidung sollte allerdings die Entwicklung der Projekte nicht allzu sehr aufhalten. Andererseits sind wir auf diese finanziellen Ressourcen angewiesen, um die Projekte bestmöglich auf die Beine zu stellen und sie auch wirklich auf den Weg zur Produktion zu bringen.

Warum hat CALA Film ERNA – VOLLE FAHRT VORAUS als Projekt für die Co-Development-Förderung gewählt?

ERNA ist eine Animationsserie (52x7') von Creator Viola Lippmann, die sich auf die Selbstwirksamkeit von Kindern konzentriert. Unsere drei Figuren – das Containerschiff ERNA, der Hubschrauber EDDIE und die Katze KAT – setzen sich mit Spaß und Kreativität für ein gutes Zusammenleben aller im größten Ökosystem der Welt ein, dem Meer, das sie gemeinsam erkunden. ERNAs Abenteuer sollen Kinder zum Staunen bringen, ihre Phantasien anregen und innovative Wege aufzeigen. Die Themen Umwelt, Nachhaltigkeit und Artenvielfalt spielen dabei eine große Rolle. Die gemeinsame Entwicklung von ERNA als europäische Koproduktion mit dem polnischen Animationsstudio und Produktionsunternehmen GS Animation als Mischung aus Cut-Out und 2D-Animation ist effizient und vielversprechend! GS Animation wurde 2004 in Danzig von Robert Jaszczurowski, Łukasz Kacprowicz und Marcin Wasilewski (den Gesellschaftern, Produzenten und Regisseuren) gegründet und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung auf dem Markt. GS Animation ist derzeit eines der aktivsten und innovativsten 2D-Studios in Polen. Dank der Projektentwicklungsförderung der MDM im Jahr 2021 hatten wir bereits die Möglichkeit, den gewählten Animationsstil zu testen. Wir haben aber auch gemerkt, dass wir noch mehr ins Storytelling und unsere Figuren investieren müssen. Dafür war die Co-Development Förderung bestens geeignet, um genau das jetzt tun zu können.

Blickt man auf KLANDESTIN/TURNING TABLES und ERNA – VOLLE FAHRT VORAUS: Wo liegen die Unterschiede im Development-Prozess?

Wie auch Autorenfilmerin Angelina Maccarone bei KLANDESTIN verfolgt Creator Viola Lippmann eine klare Vision ihrer Geschichten, die wir bestmöglich unterstützen wollen. Der Unterschied in der Entwicklung des Spielfilms und der Serie liegt aber im Wesentlichen darin, dass bei der Serie mehrere Autor:innen auf europäischer Ebene im Writer‘s Rooms zusammenkommen. So ist auch das Konzept der Serie aufgebaut: verschiedene Perspektiven ermöglichen. Angelina Maccarone hat das in KLANDESTIN virtuos über die Figuren gelöst, indem sie die Leben von vier Menschen miteinander verknüpft. Vier Hauptfiguren – MALIK (Habib Adda), MATHILDA (Barbara Sukowa), AMINA (Banafshe Hourmazdi) und RICHARD (Lambert Wilson) – gleichberechtigt als Figuren in einem einzigen Film zu entwickeln, war eine tolle Herausforderung. Der Film schildert Verflechtungen in einer globalisierten Welt, in der die Menschen immer häufiger auf den Straßen protestieren und deren Spannungen selbst die vermeintlich sichere Festung Europa mit Rissen versehen.

Inwieweit spielt Sprache beim European Co-Development eine Rolle?

Da Englisch nicht die Muttersprache aller aktuell Beteiligten ist, aber wir ERNA als Animationsserie natürlich auf English produzieren (und später für die verschiedenen Länder synchronisieren) werden, ist es gerade ein wichtiges Thema, wie wir die Eigenheiten unserer Sprachen (Deutsch, Polnisch etc.) und der Autor*innen nicht verlieren, besonders im Hinblick auf den Writer‘s Room. Animation ist aber gleichzeitig so universell, dass wir sowieso versuchen, wo es geht möglichst ganz auf Sprache zu verzichten und die Bilder für sich sprechen zu lassen. Auch Sound und Musik spielen bei ERNA eine große Rolle.

Wie hat CALA Film in Europa die passenden Partner für diese Co-Development-Förderung gefunden?

Unsere polnischen Partner GS Animation haben wir über die Zusammenarbeit mit Regisseurin Eliza Plociniak-Alvarez in der Phase der MDM-Projektentwicklung kennengelernt, die uns sozusagen verkuppelt hat. Das war auf dem Young Horizons Industry (ehemals Kids Kino Industry) 2021 in Warschau. Ich (Claudia Schröter) war Teilnehmerin vom Producers LINK, einem Programm für aufstrebende Produzent:innen von Kinderfilmen. Dort habe ich auch noch ein anderes unserer heutigen Projekte entdeckt.

Wie funktioniert der kreative Austausch mit den europäischen Partnern, aber auch den Autor:innen?

Mit dem Co-Development kann bereits die Zusammenarbeit getestet und etabliert werden. Das führt auch dazu, dass sich Projekte schneller konkretisieren, weil bereits bei Antragstellung über spätere Entscheidungen (z.B. die Produktion betreffend) nachgedacht werden muss, weit über die Entwicklungsphase hinaus also. Das ist sehr hilfreich und eröffnet neue Perspektiven für mögliche Teammitglieder, Koproduktions- und Finanzierungspartner:innen. Unsere Animationsserie werden wir in einem Concept & Writer‘s Room Model entwickeln. Hier wollen wir nicht nur mit den Autor:innen, sondern auch mit den wichtigen Gewerken (u.a. Storyboard, Design und Animation) frühzeitig in den Austausch kommen. Die Kommunikation funktioniert in der Regel über E-Mail und Videokonferenzen, aber besonders wichtig sind die persönlichen Treffen.

Wie wichtig ist Creative Europe MEDIA für die Arbeit ihrer Firmen in Berlin und Erfurt?

Die Förderung von Creative Europe MEDIA versetzt uns in die Lage, die Projekte, an die wir schon länger glauben, bestmöglich weiterzuentwickeln. Die regionale Entwicklungsförderung in der ersten Stufe der Stoff- und Projektentwicklung durch die MDM versetzte uns im Falle der Animationsserie ERNA aber überhaupt erst in die Lage, unseren polnischen Koproduktionspartner zu finden, einen Proof of Concept (u.a. Teaser) herzustellen, und uns schließlich erfolgreich für die Förderung von Creative Europe zu bewerben.

Welche Tipps habt ihr für alle, die einen Co Development Antrag planen?

Auf jeden Fall: Frühzeitig anzufangen (mindestens 4–6 Wochen vorher), ist äußert ratsam, damit sich die Mühe auch lohnt. Und aber auch ungemein hilfreich: sich nicht gleich abschrecken zu lassen von den Anforderungen der Einreichunterlagen! Diese lieber erst einmal in Ruhe analysieren und dann auch mit dem tollen Team vom Creative Europe Desk Deutschland (in unserem Fall vom Creative Europe Desk Berlin-Brandenburg: Mirja Frehse und Josephine Meissner) in Kontakt zu treten. Auch: Die Informationsveranstaltungen (meist online) zu nutzen, die angeboten werden. Falls es beim ersten Mal nicht klappt: nicht sofort aufgeben! Wir haben die Förderung beispielsweise erst im zweiten Anlauf bekommen. Nachdem wir uns zu früh und auch zu kurzfristig 2022 noch „schnell“ beworben hatten (mit dem Ergebnis, die Förderung knapp zu verpassen), haben wir 2023 den Antrag überarbeitet und gemeinsam mit den Ergebnissen aus der MDM-Projektentwicklung, die wir parallel dazu abgeschlossen hatten, überarbeitet erneut eingereicht – und dann hat es auch geklappt. Dabei waren Berater:innen (in unserem Fall das „Büro für vielfältiges Erzählen“ von Johanna Faltinat & Letícia Milano) wahnsinnig hilfreich, nicht nur für den Antrag, sondern die weitere Entwicklung des gesamten Projektes.

Vielen Dank für das Gespräch.

European Co-Development – Antrag stellen bis zum 6. März 2024

Bis zum Mittwoch, 6. März 2024, können Europas Produzent:innen zum viertem Mal ihre Projekte für „European Co-Development“ einreichen. Die beliebte Förderlinie möchte europäische Koproduktionen stärken, indem sie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Produzent:innen in der Entwicklungsphase unterstützt. 2023 lagen fast 170 Einreichungen aus 31 Ländern vor. Geeignet sind Projekte, die als europäische Koproduktion mit hohem internationalen Auswertungspotential geplant sind. Beantragt werden können maximal 60.000 Euro pro Partner. Mindestens zwei Firmen aus zwei MEDIA Ländern müssen am Projekt beteiligt sein. „European Co-Development“ ersetzte im aktuellen Creative Europe MEDA-Programm (2021–2027) die frühere "Single Project"-Förderung. Der Bereich Projektentwicklung gehört von Beginn des MEDIA-Programms, also seit 1991, zu den zentralen Fördersäulen, ob beim frühen „European Script Fund“, bei dem Projektentwicklung, Drehbuchförderung und das „Incentive Funding“ möglich waren oder der späteren, sehr erfolgreichen Paketförderung („European Slate Development“, Einreichtermin 2025 folgt).

Zum aktuellen Aufruf „European Co-Development“:

https://creative-europe-desk.de/artikel/foerderung/european-co-development

Weitere Informationen zum Thema Koproduktion in Europa vermittelt auch ein Überblick mit Deadlines der MEDIA Co-Production Funds:

https://creative-europe-desk.de/artikel/news/koproduktion-in-europa