Nachhaltige Ideen und Strategien fördern

Interview mit Susanne Davis, EFP (European Film Promotion) über Nachhaltigkeit und Diversität im Vertrieb

  • FSS für "Dear Future Children" von Franz Böhm (Deutschland, 2021), Weltvertrieb: Magnetfilm

Mit Hilfe von Film Sales Support (FSS) werden europäische Filme in die ganze Welt geschickt. Für fast 170 Filme erhielten Weltvertriebe aus ganz Europa Fördermittel aus dem Programm der European Film Promotion, darunter waren „Dear Future Children“ von Franz Böhm (Deutschland; Vertrieb: Magnetfilm), der den Audience Award beim Hot Docs Canadian International Documentary Festival gewann, „Wild Men“ von Thomas Daneskov (Dänemark, Norwegen, Vertrieb; Charades) und „Close“ von Lukas Dhont (Belgien; Vertrieb: The Match Factory).

Um europäische Filme auch in der Pandemie international präsentieren zu können, wurden 85 europäische Weltvertriebe aus neun Ländern bei ihren innovativen digitalen Promotion-Kampagnen unterstützt. Das neue Creative Europe Programm setzt für alle Fördermaßnahmen nun einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und Diversität. Creative Europe Desk Hamburg hat sich darüber zum Gespräch mit Susanne Davis getroffen, der Leiterin von Film Sales Support. Was kann das Programm dazu beitragen, den Filmvertrieb nachhaltiger und diverser zu gestalten?

Creative Europe Desk Hamburg: Susanne, wie geht ihr bei FSS mit dem neuen Schwerpunkt Nachhaltigkeit der Europäischen Kommission um? Was könnt ihr innerhalb des Programms dazu beitragen, das Film Business nachhaltiger zu machen?

Susanne Davis: Zu unserer pan-europäischen Förderung, die es seit 2004 mit Unterstützung von Creative Europe MEDIA gibt, haben wir uns bei EFP (European Film Promotion) natürlich mit der Frage beschäftigt, wie umweltfreundlich Förderungen eigentlich sein könnten und sein müssen. Welche Maßnahmen unterstützt EFP in Zukunft mit FSS, was sollte eingeschränkt werden oder gar entfallen? Denn mit FSS helfen wir seit vielen Jahren Weltvertrieben aus ganz Europa im Bereich Promotion und Marketing der neuesten europäischen Filme auf internationalen außereuropäischen Film Festivals und Filmmärkten. Dabei steht insbesondere der Verkauf in außereuropäische Länder im Fokus. Soweit unser Auftrag von MEDIA.

Schon vor Corona konnten wir beobachten, dass sich zur klassischen Art und Weise, Marketing zu machen zunehmend digitale Strategien gesellten. Man merkte, dass sich im Bereich digitales Marketing langsam etwas tat, neue Firmen boten den Weltvertrieben papierlose Wege und tolle Konzepte an. Es war ein erster Schritt in eine neue digitale Welt, an die sich die Weltvertriebe zunächst einmal vorsichtig herantasteten. Zu groß war immer noch das Bedürfnis, weiterhin physisches Material zu produzieren, es auf Festivals und Märkten für die Einkäufer auszulegen und jederzeit vor Ort präsent zu sein.

Als wir in 2020 mit Corona konfrontiert wurden, musste unsere Förderung ziemlich rasch überdacht werden. Festivals und Märkte, diejenigen verlässlichen Events und jährlichen Highlights, auf denen die Filme ihre Premieren feierten, publicity bekamen und beworben wurden, brachen auf einmal weg. Da wir FSS immer flexibel gehandhabt hatten und es weiterhin tun und alle Anpassungen und Erneuerungen in Bezug auf die jeweiligen Marktlagen und Bedürfnisse mit den europäischen Weltvertrieben und Europa International, dem Verband europäischer Sales-Firmen, besprechen, konnten wir FSS dann über Nacht für digital promotion only anbieten, eine Maßnahme, die willkommen und nötig war.

Mit einem außerordentlichen FSS OPEN CALL nach der Berlinale 2020, ohne unbedingte Anbindung an ein internationales Festival oder Markt konnten sich die Weltvertriebe mit Hilfe von FSS sofort digital positionieren und den Draht zu ihren Verleihern außerhalb Europas aufrechterhalten. So waren wir in der glücklichen Lage, weiterhin in dieser ‚Notlage‘ etwas für den europäischen Film tun zu können und dabei gleichzeitig neue digitale Strategien der Weltvertriebe auf den Weg zu bringen. Die Vielseitigkeit der unterschiedlichen Kampagnen, die bei uns eingereicht wurden, haben uns wirklich überrascht, begeistert und Hoffnung gemacht.

Wir bieten für 2021/2022 ein FSS an, das weiterhin nachhaltige Ideen und Strategien fördert, aber gleichtzeitig die Existenz von hybriden Festivals und Märkten berücksichtigt. Filmverkauf bleibt ein ‚peoples business‘, persönliche Treffen, vor allem mit Einkäufern aus einigen Ländern außerhalb Europas bleiben wichtig. Das hören wir immer wieder von den Weltvertrieben. Trotzdem hat sich EFP im Zuge einer ‚grüneren‘ Förderung entschieden, Reise- und Hotelkosten vor Ort nicht mehr mit FSS zu unterstützen. Diese Kosten müssen die Weltvertriebe ab jetzt selber aufbringen oder sich im besten Fall gegen die eine oder andere Reise entscheiden und mit ihren Klienten online zusammenkommen.

Neu ist auch, dass EFP die FSS-Förderung für die Promotion des europäischen Films auf den online Versionen des European Film Market und dem Marché du Film anbietet. Beide Märkte in Europa erreichen - in Kombination mit den Filmpremieren auf den dazugehörigen Festivals - Verleiher auf der ganzen Welt.  Zudem bieten seit 2021 Cannes und Berlin zusätzlich sogenannte satellite screenings für Einkäufer in nicht-europäischen Ländern an. Das begrüßen wir außerordentlich, da auf diese Weise Verleiher in Mexiko, Brasilien, Japan, Australien oder Südkorea, die nicht nach Europa reisen können, die Möglichkeit bekommen, die Filme im Kino und auf der großen Leinwand zu sehen. Wir freuen uns, den Weltvertrieben mit den Kosten für diese besonderen screenings in den jeweiligen Ländern behilflich sein zu können und so aus der Ferne europäische Filme auf die Reise zu schicken.

Creative Europe Desk Hamburg: Eine weitere wichtige Priorität ist Diversität im neuen Creative Europe Programm. Die Kommission möchte diverse Projekte, diverse Teams und Angebote sehen, in denen Minderheiten integriert werden. Wie setzt ihr das in eurem Programm um?

Susanne Davis: Mit FSS werden pro Jahr ca. 85 Kampagnen für 170 europäische Filme gefördert. Spielfilme, Dokumentarfilme und Animationsfilme aus ganz Europa kommen in den Genuss eines sogenannten Promo-Boosts. Besonderes Augenmerk legen wir dabei auf Filme aus kleineren Ländern, um Europas Filmlandschaft in seiner ganzen Bandbreite abzubilden.  Aber natürlich reicht es nicht aus, allein die Vielfalt der europäischen Länder als divers anzuführen. FSS steht als Promotionförderung ganz am Ende der Kette. Wenn es um Diversität der Besetzung und Themen geht, müssen andere Förderungen Richtungen vorgeben und Maßstäbe setzen.  Somit kann dann letztendlich auch über FSS diversity transportiert werden, indem wir Kampagnen für Filme mit diversen Inhalten fördern. Wir vertrauen den europäischen Weltvertrieben bei der Wahl ihrer europäischen Filme, Diversität in den Vordergrund zu rücken, wo immer es möglich ist. So können wir von unserer Seite helfen, diese Filme durch eine Co-Promotion auf Social Media hervorzuheben und sie Einkäufern durch ein gezieltes Mailing ans Herz zu legen.
Wir lernen gerade auch neue Dinge im Gespräch mit den Weltvertrieben und freuen uns auf deren Anregungen!

Vielen Dank für das Gespräch.