Mehr Vielfalt auf der Filmweltbühne!

Interview mit Andreas Struck von efp European Film Promotion zum neu aufgestellten Programm "EUROPE! Voices of Women+ in Film"

  • "Sorda" von Eva Libertad ist in diesem Jahr Teil der Sydney Visibility Campaign 2025, (c) Distinto Films, Latido Films

  • Talk @ Rio Market (c) EFP

  • EFP SFF photo call by Tim Levy

EUROPE! Voices of Women+ in Film ist ein Programm zur Stärkung von Frauen und genderqueeren Personen in der audiovisuellen Branche. Das Ziel: mehr Sichtbarkeit und Vernetzung. EFP European Film Promotion hat das Programm entwickelt, um dem Geschlechter-Ungleichgewicht in der Film- und audiovisuellen Branche entgegenzuwirken.  Dieses Jahr geht das Programm in seine zehnte Ausgabe - mit einer internationalen Neuerung. 

Für Sichtbarkeit sorgt die Initiative, indem sie die Teilnehmenden mit ihren Filmwerken auf drei großen internationalen Filmfestivals in Busan, Rio und Sydney präsentiert.  Ein zweitägiger Virtual International Networking Summit bietet eine zusätzliche Möglichkeit zur Vernetzung.

Wird ein europäischer Film von den Programmverantwortlichen der drei Festivals ausgewählt, kann er unter dem Label EUROPE! Voices of Women+ in Film von dem Programm profitieren. In den vergangenen 9 Programm-Jahren wurden insgesamt 86 Filme von 93 Regisseurinnen aus 27 europäischen Ländern auf dem Sydney Film Festival präsentiert und bei australischen Verleihen, internationalen Festivalprogrammierenden und dem Publikum beworben.

Anna Hints, Regisseurin von SMOKE SAUNA SISTERHOOD (Estland) war 2023 unter den Teilnehmenden und formulierte damals die Relevanz des Programms und stieß dessen Öffnung für genderqueere Personen an: „Wir brauchen dieses Programm, weil wir Verbindungen und Freundschaften zwischen verschiedenen europäischen Ländern schaffen müssen, die sich zu wunderbarer Unterstützung, Koproduktion und Wegbegleitung entwickeln können. Obwohl ich mich persönlich als nicht-binär identifiziere, schätze ich die Bedeutung dieses Programms im Kampf gegen die Ungleichheit im Filmemachen. Hoffentlich wird eines Tages die Geschlechterinklusion alle Geschlechter im Spektrum einbeziehen.“

Interview mit Andreas Struck, Project Director bei EFP European Film Promotion

CED Hamburg, Lisa Emer: In diesem Jahr habt ihr eine neue Ausrichtung mit drei Festivals, lange wart ihr „nur“ in Sydney, nun auf drei Kontinenten. Wie kam es dazu?

Andreas Struck: „Seit 2016 zeigen wir in Sydney europäische Filme von Regisseurinnen – dieses Jahr gehen wir mit drei Festivals auf drei Kontinenten einen großen Schritt weiter. Damit wollen wir mehr Sichtbarkeit für Filme von Frauen und sich als Frauen identifizierenden Filmschaffenden schaffen. Abgesehen davon, dass wir drei Territorien erreichen, haben wir es mit sehr unterschiedlichen Kulturen zu tun. Allein die Kommunikation ist mit jedem Festival-Team anders, deshalb ist unsere Zusammenarbeit mit ihnen sehr verschieden. In Sydney haben wir unsere etablierte Zusammenarbeit mit einer eigenen Programmschiene. In Rio arbeiten wir mit einem vereinfachten Format – dort werden bereits eingeladene Filme gelabelt und entsprechende Diskussionspanels angeboten. Busan ist besonders sensibel, was feministische Themen angeht – hier ist bereits das Programmangebot ein Statement. Was uns bei allen Festivals eint, ist das Ziel: strukturelle Ungleichheiten sichtbar zu machen mit lokalen Partnern in kultureller Unterschiedlichkeit.“

CED HH: Neu ist auch, dass ihr auch genderqueere Personen einladet. Warum war euch diese Öffnung wichtig?

Andreas Struck: „In unseren Gesprächen wurde schnell klar, warum diese Initiative so wichtig ist: Es geht um Sichtbarkeit – gerade auch für diejenigen, die sich jenseits traditioneller Geschlechtergrenzen verorten. Das Plus in unserem Programmtitel steht für ein inklusiveres Verständnis von Identität. Sprache ist ein Konstrukt: Begriffe wie genderqueer zeigen, wie fließend die Grenzen sind und wie groß der Gesprächsbedarf ist, um Anderssein zu verstehen und zu beleuchten. Sich von festen Labels zu lösen, ist oft schwer – umso wichtiger ist der Raum für Austausch, den wir schaffen. Ob innerhalb oder außerhalb Europas - es ist bei weitem immer noch schwerer für Frauen und genderqueere Personen einen Film zu machen als für Männer.“

CED HH: Bitte erzähl doch noch etwas zu dem abschließenden International Networking-and-Matchmaking-Summit.

Andreas Struck: „Gern! Networking ist ein zentraler Baustein unseres Programms – nicht nur on-site, sondern auch online. Gerade für Regisseur:innen, die oft keinen direkten Zugang zum Filmmarkt oder zu Festivalprogrammierenden haben, ist dieser Austausch enorm wertvoll. Beim Online-Event im Dezember bringen wir alle aktuellen Teilnehmer:innen sowie Alumni zusammen. Es geht dann nicht nur um die Filme wie bei den Festivals, sondern um die Menschen dahinter – um die nächsten Schritte in ihren Karrieren. Mit maßgeschneidertem Matchmaking, One-on-one-Gesprächen und Formaten wie Meisterklassen oder Panels mit Expert:innen aus unserem großen EFP-Netzwerk wollen wir bereichernde Perspektiven bieten. Wir arbeiten dafür unter anderem eng mit Initiativen wie EWA oder dem Circle-Weiterbildungsprogramm zusammen.“

CED HH: Gibt es Beispiele, wie das Programm die Karriere einzelner Regisseurinnen bisher positiv beeinflusst hat?

Andreas Struck: „Erfolg zeigt sich in unserem Programm in individuellen Formen. Was wir immer wieder hören: Dass die Initiative den Teilnehmenden persönlich viel bedeutet. Der Austausch mit Filmschaffenden aus anderen Ländern, ob über die Arbeit am Set oder die Herausforderungen der Branche, wird enorm geschätzt. Die Vernetzungs-Veranstaltungen - vor Ort in Rio, Busan und Sydney oder virtuell – bringen den Beteiligten Erkenntnisgewinn, gegenseitige Inspiration und Selbstermächtigung. Der eigentliche Erfolg liegt abseits von roten Teppichen und messbaren Zahlen: im persönlichen Wachstum und in langfristigen Verbindungen.“

Vielen Dank für das Gespräch lieber Andreas!