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Weltvertrieb für Einsteiger

Weil die meisten Filmemacher und Produzenten ihre Werke gern über die Landesgrenzen schicken, um sie einem möglichst großen, internationalen Publikum zu präsentieren, wurden die Weltvertriebe erfunden. Wie in jedem anderen Gewerbe auch, kann es von Vorteil sein, den Verkauf seines Produktes den Profis zu überlassen. Ein Weltvertrieb kennt sich im Markt aus, erspürt die Trends der Zeit und lebt vor allem von seinen Kontakten und seiner Präsenz auf internationalen Märkten und Festivals.

Nun bekommt ein Vertrieb je nach Größe zwischen 200 und 1000 Filmen im Jahr angeboten, kann und will aber nur einen Bruchteil davon in sein Programm aufnehmen. Was also muss ein Film mitbringen, um aus der Sicht des Weltvertriebes optimal ausgewertet werden zu können? Was kann ein Produzent tun, um den richtigen Weltvertrieb zu finden, und in welchem Stadium der Produktion sollte der Film angeboten werden? Bei der Suche nach dem passenden Weltvertrieb hilft oft schon ein Blick in den Online-Katalog, um herauszufinden, ob Film und Vertrieb füreinander bestimmt sein könnten. Verkäufe basieren immer auf Vertrauensbasis, daher ist eine Vorab-Recherche in jedem Fall von Vorteil: Wie aktiv ist das Unternehmen? Welche Märkte und Festivals werden besucht? Ist der Vertrieb zum Beispiel auf den wichtigen Kinomärkten vertreten wie Berlinale, Cannes, Toronto oder Sundance? Welche Vertriebe sind auf den Festivals anzutreffen, die man selbst besucht, und welche Erfahrungen haben andere Filmemacher und Produzenten gemacht? Produzent Stefan Kloos, Kloos&Co. Medien, hat im vorletzten Jahr den Weltvertrieb „Rise and Shine“ gegründet, der vor allem kreative Dokumentarfilme an Verleiher und Fernsehsender in aller Welt verkauft. „Wir sichten - wie wahrscheinlich die meisten Kollegen - Filme gern schon als Rohschnitt“, so Kloos, „um im Dialog mit dem Filmemacher und dem Produzenten eventuell noch nützliche Hinweise geben zu können, die die Auswertungschancen erhöhen.“ Spätestens aber kurz vor Fertigstellung des Feinschnitts sollte der Sales Agent einen Blick auf das Werk werfen dürfen. Immer wieder würden fertige Filme eingereicht, die hingegen durch minimale Veränderungen etwas „senderkompatibler“ hätten gestaltet werden können. Eine Änderung des Filmtitels um der besseren Verkaufbarkeit willen erscheint zunächst als drastische Maßnahme, kann aber durchaus sinnvoll sein. Unaussprechliche Filme verkaufen sich meist nicht wirklich gut, von „Kooyanisqatsi“ vielleicht einmal abgesehen. Hier ist Flexibilität von Seiten der Filmemacher gefragt, ebenso in Sachen Länge. Sendeplätze für Dokumentarfilme beispielsweise belaufen sich international fast ausschließlich auf 52 bis 58 Minuten. Man sollte also darauf vorbereitet sein, seine 75-minütige Festivalversion auf ein internationales Format herunterzukürzen. Nicht immer eine leichte Aufgabe, aber unabdingbar, will man seinen Dokumentarfilm weltweit ins Fernsehen bringen. Bei Spielfilmen ist das schon anders, die Sendelängen sind flexibler. Wer es zunächst im Alleingang versucht und erst später einen Weltvertrieb zu Rate zieht, verschenkt möglicherweise wertvolles Potential. „Wurde ein Film bereits von den wichtigen Festivals abgelehnt, bevor er einem Vertrieb angeboten wird, sind die Verkaufschancen deutlich schlechter“, so Stefan Kloos. Auch hier ist es ratsam, frühzeitig das Know-How des Weltvertriebes zu nutzen, um gemeinsam eine Festival-Strategie zu entwickeln. Dazu gehören auch die so genannten „Visuals“, also das Design von beispielsweise Postern, Flyern und Postkarten. Filme nicht wahllos vielen Weltvertrieben gleichzeitig anzubieten, spart auf beiden Seiten wertvolle Zeit. Man sollte einen Film immer ankündigen, einen persönlichen Kontakt herstellen und sich nach den Gepflogenheiten erkundigen: Der erste Vertrieb will gleich eine DVD, der zweite vielleicht zunächst eine gute Synopsis und den Link zum Trailer, um sich schon vorab einen Eindruck vom Production Value zu verschaffen. First Hand Films in Zürich hat mittlerweile ein Einreichformular auf der website, in dem die wichtigsten Eckdaten abgefragt werden. In der Regel beträgt die Kommission des Weltvertriebes bei Dokumentarfilmen mittlerweile ca. 30%-40% und für Spielfilme ca. 20% bis 25%, und jeder Vertrieb hat unterschiedliche Modelle, wie und in welchem Umfang er angefallene Vorkosten von den Verkäufen einbehält. Sind übrigens Fremdrechte – beispielsweise Archivmaterialien oder teure Musik – involviert, sollte der Produzent darauf vorbereitet sein, diese Rechte für eine umfassende Auswertung sofort erwerben zu können. Man will nicht erst beim Verkauf herausfinden, dass beispielsweise die Rechte-Kosten für Nordamerika den möglichen Erlös weit übersteigen, oder dass die erforderlichen Rechte gar nicht erst erhältlich sind. Der Weltvertrieb wird den Film auf Festivals und Märkten präsentieren, umgekehrt schauen auch Festivals gern in die Kataloge auf der Suche nach Perlen fürs Programm. Im Idealfall kennt sich ein Weltvertrieb auf den internationalen Sendeplätzen aus und hat persönliche Kontakte zu Entscheidern und Verleihern rund um den Globus. Dieser Artikel ist aus unserem MEDIA Magazin 2009, das man kostenfrei bei MEDIA Desk Hamburg bestellen kann.