Für viele Kinofreunde begann 2020 “das große Streamen”. Nicht nur Kinos wurden geschlossen, auch die Türen der Bibliotheken blieben zu. Schnell wurde deutlich: Arthouse- und Kunstkino mit Anspruch und Genrevielfalt ist bei den großen VoD-Anbietern nur schwer zu finden. Algorithmen statt Arthouse. Aber es gibt sie, spannende Mediatheken der Fernsehsender, allen voran die ARTE-Mediathek, oder Arthouse-Portale wie Mubi, Kino on Demand, alleskino oder LaCinetek. Mit dem von Creative Europe MEDIA geförderten Mediathekenverbund "The European Collection" von ARTE, ARD, ZDF, France Télévisions und SRG SSR steht das nächste interessante Mediatheken-Projekt in den Startlöchern. Und: Es gibt filmfriend.de.
Filmfriend.de und die Bibliotheken
filmfriend.de ist das VoD-Filmportal der öffentlichen Bibliotheken in Deutschland, der Schweiz und in Österreich. filmfriend.de ist bereits seit 2017 auf dem Markt und wurde von der filmwerte GmbH entwickelt. Das Potsdamer Unternehmen von Andreas Vogel hat sich auf Portalmanagement, Filmvertrieb und Filmrechteverwaltung spezialisiert. Filmfriend.de erreicht mit einem herausragenden Konzept sowie hochwertigen Programmen und Partner:innen eine interessante Schnittmenge zweier Zielgruppen: Leser:innen – und Kinogänger:innen. Warum es auch mit Blick auf die Reichweiten Sinn macht, dass diese zwei kulturinteressierten und neugierigen Gruppen sich über den “Austausch” von Buch und Film begegnen, veranschaulichen ein paar Zahlen: 2019 sahen deutschlandweit 12,3 Mio. Besucher:innen auf 874 Programmkino-Leinwänden Arthouse-Filme aus aller Welt, 44 Prozent mehr als 2018, so die FFA in der Programmkinostudie 2019. Und jährlich besuchen mehr als 125 Mio. Menschen die über 9.000 öffentlichen Bibliotheken, so der Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv).
Wer Mitglied einer der teilnehmenden Bibliotheken ist, kann bei filmfriend.de auf 3.000 Spiel-, Dokumentarfilme und Serien zugreifen – und zahlt nicht mehr als die normalen Gebühren der Bibliothek. Allein 270 deutsche Bibliotheken sind hier angeschlossen, von Freiburg bis Sylt, von Aachen bis Görlitz. Es sind eben nicht nur die Büchereien der größeren Städte, die bei filmfriend.de vertreten sind, sondern gerade auch kleinere und mittlere Orte, wo Arthouse-Kinos kaum oder weniger präsent sind. Neben den Filmen und Serien für Erwachsene und Kinder bietet das Portal – und somit die Bibliotheken – den Nutzer:innen in einem umfangreichen Menü besondere Kollektionen, Filme in der Originalversion oder Länder- und Themenschwerpunkte. Für Lockdowns aller Art sind Kulturliebhhaber:innen somit ein wenig “grundversorgt“. Auf die Frage, ob und wie die Pandemie das Interesse an filmfriend.de erhöht habe, antwortet Andreas Vogel: “Ja, die Bibliotheken haben in der Pandemie verstärkt ihre Online-Angebote ausgebaut und beworben. Die Nutzer fanden in filmfriend eine attraktive Alternative zu großen Streamingplattformen. Wir konnten seit Beginn der Pandemie eine verstärkte Nachfrage sowohl bei den teilnehmenden Bibliotheken als auch bei den Nutzungszahlen feststellen.”
Mit MEDIA in Europa sichtbar
Nach ermutigenden Erfahrungen im deutschsprachigen Raum will filmfriend.de sein Modell nun auch in andere Teile Europas tragen. “Als wir mit den ersten Bibliotheken in Österreich und der Schweiz feststellten, dass unser Konzept länderübergreifend attraktiv ist und Potential hat, begannen wir mit ersten Überlegungen, filmfriend auch auf nicht deutschsprachige Länder auszuweiten. Damit erhöhen wir auch die Reichweite und die Sichtbarkeit vor allem europäischer Filmproduktionen”, so Andreas Vogel. 2020 erhielt die Firma eine Förderzusage von Creative Europe MEDIA „Promotion of European Works online“. Ziel der Förderung ist es, eine bessere Sichtbarkeit europäischer audiovisueller Werke im Internet zu erreichen. In Zeiten geschlossener Kinos eine echte Hilfestellung. Damals wurden 44 Projekte aus 13 Ländern mit ca. 10 Millionen Euro unterstützt. 730.000 Euro gingen an sechs deutsche Projekte. filmfriend.de will, gemeinsam mit Lizenzgebern und Bibliotheken das filmische Angebot für mehr europäische Länder zu öffnen, um so auch die Zirkulation europäischer Werke zu stärken. Mit Hilfe der EU-Gelder bereitet sich filmfriend.de aktuell darauf vor, seinen Service auch in Europa anbieten zu können. Rund 100 Bibliotheken in Frankreich, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Großbritannien und Irland wurden bislang angesprochen. Erste Kooperationsverträge sollen noch in diesem Jahr unterschrieben werden. Genutzt werden können die 146.308 Euro Förderung u.a. für Personalkosten, Akquise, technische Vorbereitungen wie die Spracherweiterung, aber auch Werbung, Social Media-Kampagnen oder notwendige Reisen, die aber corona-bedingt nicht möglich waren. Die Lizenzkosten selber sind ausgeschlossen. Und die Planung für Europa geht noch einen Schritt weiter: “Einerseits könnten wir uns eine Ausweitung in Richtung Spanien, Portugal und Italien vorstellen. Aber auch eine Erweiterung nach Osten könnte interessant für uns sein”, erläutert Andreas Vogel.
Wie sichtbar sein in der Pandemie?
Wie aber bleiben Kinos und Verleiher sichtbar in der laufenden Pandemie, zumal wenn Kinoöffnungen und Starttermine immer wieder verschoben werden müssen? Auch hier ist die filmwerte GmbH aktiv. Zusammen mit dem Bundesverband kommunaler Filmarbeit e.V. und dem Hauptverband Cinephile e.V. entstand “Cinemalovers”, eine “solidarische VoD-Plattform der Kinos in Deutschland”, so filmwerte. Mit der Plattform erhalten Kinos und Festivals einen digitalen Kinosaal. Die Einnahmen werden geteilt, die „Netflix Fatigue“ (Mikosch Horn) durch die Kunst des Kuratierens vertrieben. Auch sind weitere Kooperationen mit Filmfestivals geplant, ähnlich wie beim Kinder- und Jugendfilmfestival Schlingel in Chemnitz oder goEast in Wiesbaden. Andreas Vogel verrät: “Wir führen Gespräche mit weiteren Festivals. U.a. werden wir eine Kooperation mit dem Darßer Naturfilmfestival haben, das Anfang Oktober stattfinden wird.”
Vorfreude auf 75 Jahre DEFA
Und filmfriend.de und die Bibliotheken halten im Mai das nächste Schmankerl für Filmfreund:innen bereit: Im Mai startete die Retrospektive „75 Jahre DEFA“.."Anlässlich der DEFA-Geburtsstunde am 17. Mai 1946 werden über 50 Spiel- und Dokumentarfilme gezeigt, die für das filmhistorische und künstlerische Filmschaffen in der DDR stehen. “Das Programm ist u.a. geordnet nach Regisseur:innen oder Darsteller:innen. Weitere Kollektionen veranschaulichen die DEFA-Geschichte thematisch, etwa „Ankunft im Alltag“, „Umbrüche“ sowie Männer- und Frauenbilder und werden durch Buchempfehlungen ergänzt. Der dokumentarische Akzent liegt auf dem Wittstock-Zyklus von Volker Koepp sowie auf Filmen der Reihe ‘Die Kinder von Golzow’”, so die Veranstalter. Die Nutzer aller beteiligten Bibliotheken in Deutschland, der Schweiz und in Österreich haben Zugang zur Retrospektive.
Dann also noch mal online gehen, bevor die Kinotheater endlich wieder ihre Türen öffnen.
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