Demaskiert! Vier Fragen an Andreas Rothbauer (Picture Tree International)

  • Andreas Rothbauer

    © Andreas Rothbauer

Der Gründer von Picture Tree International Andreas Rothbauer über die gegenwärtigen Probleme und Chancen der Sales Agents in der COVID-19, wie er die selektive Verleihförderung beurteilt und was er sich vom neuen MEDIA-Programm wünscht

Wie haben Sie als Weltvertrieb den Beginn der Pandemie erlebt, inwiefern hat sich die Situation auf die Weise, wie Picture Tree in den folgenden Monaten gearbeitet hat, ausgewirkt?

Andreas Rothbauer: Wir haben den Beginn der Pandemie bereits schmerzlich auf dem EFM durch das Wegbleiben zahlreicher asiatischer Einkäufer zu spüren bekommen. In den folgenden Wochen und Monaten hat sich diese Situation sukzessiv ausgeweitet und wir mussten uns – wie alle – schnell auf diese Situation einstellen. Kurzarbeit, Home Office und Hygieneregeln im Büro waren der Anfang. Mit einer angepassten Einkaufs- und Vertriebsstrategie hin zu weniger Festival-abhängigen Filmen, die auch ohne Kinoauswertung werthaltig sind, ging es weiter und dauert bis heute mit Anpassungen an.

Mit dem deutschen Weltvertriebsverband (VDFE) haben wir seit März für einen Rettungsschirm für die deutschen Vertriebe gekämpft und haben zum Glück bei FFA und einigen Länderförderern Gehör gefunden. Die Antragstellung läuft gerade und wird für einige Vertriebe zumindest eine gewisse finanzielle Unterstützung sein.

Wir erleben hier gerade etwas, das noch lange Auswirkungen haben wird und sollten uns zügig aber überlegt von lang eingefahrenen Mechanismen verabschieden und auch über neue Rahmenbedingungen sprechen. Einige VDFE-Mitgliedsfirmen wie ARRI, BETA, MATCH FACTORY und wir erarbeiten hier gerade gemeinsam konstruktive Vorschläge im Hinblick auf die FFG-Novellierung. Neben einer Darstellung der wichtigen Rolle und dem Beitrag der Vertriebe für die Filmwirtschaft geht es hier auch darum, sich Gedanken über innovative Wege von Lizenzhandel und Auswertung zu machen, um damit hoffentlich mehr Verständnis und zeitgemäße Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Pandemie war hier nur ein Beschleuniger.

Die Arbeit der Weltvertrieb lebt stark von dem Buzz, den Filme auf Festivals sammeln. Wie hat sich das in Zeiten der digitalen Festivals verändert? Wie können Filme in Zukunft ihren Weg gehen?

Andreas Rothbauer: Ich denke, die Abhängigkeit von Festivals gilt zuvorderst für den sogenannten "Arthouse Film", der erst über eine Handvoll relevanter Premieren-Festivals und daraus resultierenden "buzz" seine Werthaltigkeit für Kinoverleihfirmen generiert und ohne Kinoauswertung leider eher überschaubaren ancillary value hat. Man sieht beispielsweise sehr gut, dass Firmen mit großen Rechtestöcken, die in 2020 sehr gute und teils bessere Umsätze erzielen konnten, weil der Bedarf an Content eher steigt, aber die Kinoauswertung unter noch mehr Druck geraten ist.

Ich bin auch der Meinung, dass die zahllosen, virtuellen Festival-Insellösungen für Weltvertriebe, nationale Filminstitute und Einkäufer langfristig keine wirkliche Alternative sind. Der virtuelle Aspekt für Promotion und Vertrieb wird auch nach COVID weiter an Bedeutung gewinnen, aber es bräuchte eine orchestrierte, europäische Lösung in einem stabilen virtuellen Marktplatz, auf dem Rechtehändler ganzjährig kuratierte Promotion im Verbund und als Einzelfirma betreiben können und dabei mit externen, virtuellen Events (Festivals, Projektmärkte, etc.) Kooperationen eingehen. Sich jede Woche an einem neuen, externen, virtuellen Kontext anpassen zu müssen, der nur für eine paar Tage besteht, kann meines Erachtens nur eine vorläufige Alternative gewesen sein, die für alle Markteilnehmer und damit letztlich die Filme keine besonders nachhaltige Zukunftsvision ist.

Weltvertrieb koordinieren die Anträge für die Selektive Verleihförderung von MEDIA. Ist es zur Zeit schwerer, ein internationales Grouping von Verleiher für die Herausbringung eines Filmes zu gewinnen? 

Andreas Rothbauer: Ich bin offen gestanden kein großer Befürworter der Selektiven Verleihförderung in seiner gegenwärtigen Form, auch wenn Weltvertriebe erstmals für die damit verbundenen Arbeit direkt finanziell partizipieren, was überfällig war. Leider ist mit der Einführung dieser Förderung gleichzeitig auch die Basisförderung des Sales Agent Support halbiert worden, was meines Erachtens ein falscher Schritt war. Ich kann zwar verstehen, dass es eine Spitzenförderung braucht, aber dies unter anderem zu Lasten der kleinen Basisförderung zu machen, korrespondiert nicht mit der Herstellungsförderung und der Überproduktion an Filmen, die deshalb in Summe und mit Ausnahmen kaum noch kulturelle und ökonomische Sichtbarkeit erreichen.

Für uns als Firma spielt daher diese Förderung keine große Rolle, bzw. wir richten unsere Vertriebsstrategie nicht danach aus.

Im nächsten Jahr startet das neue MEDIA-Programm. Was wünschen Sie sich aus der Perspektive der Weltvertriebe von dem neuen Programm?

Andreas Rothbauer: Davon ausgehend, dass die Nachwirkungen von COVID mindestens noch 1-2 Jahre andauern werden, wäre ein gesonderter Europäischer Wiederaufbaufonds ein Wunsch. Viele Vertriebe werden nach den Umsatzeinbußen in diesem Jahr und wohl auch für kommendes Jahr weniger Mittel in Vorschüsse/MGs für europäische Filme investieren können. Hier einen Ausgleich in Form eines Anreizmodells zu schaffen, würde auch Produzenten zugute kommen und hätte nachhaltig positive, strukturelle Effekte.

Auch fände ich einen "funktionierenden" Europäischen Garantiefonds sehr wünschenswert, damit nicht nur Vertriebe ihr Firmenwachstum und zusätzliche Geschäftsbereiche vorantreiben können, um widerstandsfähiger für Krisensituationen zu sein.  

Weitere Informationen zu Picture Tree gibt es auf picturetree-international.com