Big Data und ihr Nutzen für die europäische Filmindustrie waren das zentrale Thema des European Film Forum der Europäischen Kommission anlässlich der diesjährigen Berlinale. DG Connect Direktor Roberto Viola eröffnete mit einer Keynote, in der er die zunehmende Verbindung von Kreativität und Technik betonte. Die EU folge diesem Trend und unterstütze ihn. Viola rief die Filmbranche dazu auf, mit der Kommission in Kontakt zu treten und dringende Themen und Bedürfnisse zu kommunizieren. Diesem Zweck dienen unter anderen die European Film Foren, die das ganze Jahr über in ganz Europa von Cannes bis Vilnius stattfinden.
Daten in der Filmindustrie
Dirk Hoffmann, Mitgründer der Krait-Digitalagentur, konstatierte in seinem anschließenden Impulsreferat: Die Erhebung von Daten innerhalb der Filmindustrie würde keinesfalls die Kreativität beeinträchtigen, sondern könne hervorragend genutzt werden, um den Erfolg der Filme voranzubringen, und dies auch bereits im Drehbuch-Stadium. Daten-Tools wie "Script Book" würden Produzenten, Sales Agents und Autoren gleichermaßen schon bei der Filmkonzeption unterstützen, angefangen von Titelfindung bis hin zu Cast-Entscheidungen. Film-Marketing Expertin Sarah Lewthwaite (Movio) unterstrich dies: Daten zu teilen könne dabei helfen, bessere Geschichten zu erzählen, und auch Elena Neira, Inhaberin der Marketing-Agentur La Otra Pantalla bekräftigte dies in ihrer Netflix-Studie. Für Netflix läge ein Teil des Erfolges in der Kombination von Metadaten und "Big Data", dies sei auch die Grundlage für den Erfolg von David Finchers "House of Cards" gewesen. Die Entscheidung, was der Zuschauer sieht, würde in einem kritischen 60-90 Sekunden Fenster getroffen.
Um so genannte automatische Tools ging es in einem weiteren Panel, u.a. mit Andreas Wildfang von EYZ Media, der in Sachen Big Data auf die Zusammenarbeit mit einer Universität setzt. Die von Netflix benutzten Filter würden nicht mit wenigen Usern und wenigen Daten funktionieren - EYZ Media nutze beispielsweise Twitter-Nachrichten oder Blog-Einträge und verknüpfe diese dann mit dem Zuschauerverhalten.
Hands On: Showcases am Nachmittag
Barbara Visser, künstlerische Leiterin der IDFA, und Dokumentarfilmer Friedrich Moser sprachen über die Bedeutung des Dokumentarfilms im so genannten "Post-Truth" Zeitalter, in dem Betrug und Unehrlichkeit an der Tagesordnung stehen. "In diesen Zeiten fühle ich mehr denn je eine große Verantwortung, gute Filme in meinem Festival zu zeigen. Der Trend geht wieder sehr viel mehr zu inhaltlichen Themen", so Visser.
Um die Frage, ob man mit Dokumentarfilmen mehr internationale Zuschauer erreicht als mit Fiktion, ging es beim nächsten Panel. "Es ist durchaus möglich, dokumentarische Serien auf einem Top Level zu finanzieren", so Gunnar Dedio von LOOKS Film & TV. Im Bereich Fiktion sei das deutlich schwieriger. Dedio hob die Bedeutung der Creative Europe TV Programming Förderung für die internationale Auswertung von Filmen hervor. Sie sei ein Anreiz für den Aufwand, seine Filme auch für kleines Geld an kleine Territorien zu verkaufen. Signe Byrge Sørensen von Final Cut for Real: "Der Erfolg eines Filmes hängt nicht unbedingt vom Gesamtbudget ab." Der von ihr produzierte "The Act of Killing" von Joshua Oppenheimer wurde beispielsweise mit einer der damals preisgünstigsten Kameras gedreht.
Über Koproduktion diskutierten im Anschluss das reine Frauenpanel Ada Solomon von Hi Film, Leontine Petit, Lemming Film und Riina Sildos, Amrion Productions. "Frauen gehen mit Themen anders um als Männer, und das muss sich auch in Filmen wiederfinden", so Leontine Petit, die im Dezember den European Film Award für Europäische Koproduktionen bekam. Ada Solomon hingegen sei egal, ob die Kunst von Frau oder Mann käme - sie müsse die Vision und den Stil lieben. Solomon lobte die MEDIA Förderung: Einen Antrag auszufüllen helfe sehr, sich über sein Projekt klar zu werden. "It is the best excercise to make your mind clear!"
Um das Geschichtenerzählen in VR/AR und interaktive Inhalte ging es in der letzten Diskussionsrunde mit Astrid Kahmke von VR Accelerator Europe und Michel Reilhac, Head of Studies im Venice Biennale College Cinema. Virtual Reality befinde sich in der Entwicklung vom "Gimmick" zu einer Kunstform, so Reilhac, und die Regeln dafür würden jetzt gemacht, und zwar von allen Beteiligten. Bei der kürzlich von Creative Europe MEDIA geförderten Initiative "VR Accelerator Europe", die in diesem Jahr erstmals stattfindet, geht es darum, herauszufinden, wie man VR für das Geschichtenerzählen nutzen kann. Astrid Kahmke: "Wir reden im VR nicht so sehr vom Storytelling, sondern von Erfahrungen. Und wir brauchen neues Wissen, um darin erfolgreich zu sein."
Das Europäische Film Forum wurde 2014 von der Europäischen Kommission ins Leben gerufen, um den Dialog mit der Filmbranche zu fördern. Auf verschiedenen europäischen Filmfestivals werden in Diskussionsrunden und Showcases Themen wie z.B. Finanzierung, Zuschauer, Talentförderung oder Digitalisierung beleuchtet.
Der gesamte Tag ist in mehreren Videos zu sehen:
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