Wissens-Werte

"Media Literacy" setzt Maßstäbe für die europäischen Informationsgesellschaften

Mit ‚Media Literacy’ wird in den nächsten beiden Jahren ein Rahmen im Bereich der audiovisuellen Politik vorgegeben, der europaweit die Entwicklung so genannter ‚medienkompetenter Bürgergesellschaften’ beschleunigen soll. Die Initiative lehnt sich damit an die Zielsetzung der Lissabon Agenda an, aus der EU weltweit bis Ende 2010 den wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum zu machen.

Wissen muss gelernt sein
Lesen bildet, sagt der Volksmund. Sehen auch? Umberto Ecos These, dass „eine demokratische Zivilisation sich nur retten wird, wenn sie es schafft, die Bildsprache zu einem Auslöser kritischer Reflexion zu machen, und nicht zur Hypnose“ verweist auf die Notwendigkeit einer Anleitung zum Umgang mit Medien in einer Welt, die ohne sie nicht mehr vorstellbar ist - Wikipedia, Google, Youtube, Podcasts, Web 2.0 lassen uns von „Consumern“ zu „Prosumern“ bzw. „User“ mutieren, beeinflussen unsere individuelle und soziale Entwicklung in der Informationsgesellschaft und fordern neue Qualifikationen, um kulturell und wirtschaftlich im Rennen zu bleiben.
„Medienkompetenz“ heißt das Schlüsselwort, das die Nutzung und das Verständnis vor allem der elektronischen Medien und die Filterung der von ihnen transportierten Informationen meint. Es geht nicht mehr nur darum, einen Fernseher und Computer ein- und auszuschalten, sondern das, was wir sehen und hören, in seiner Bedeutung zu deuten und umzusetzen.
Medienpädagogische Initiativen, die sowohl die Kreativität als auch die Sehgewohnheiten von Jugendlichen schulen, z.B. durch die Anleitung zum Filmemachen oder durch Film- und Fernsehanalyse, nehmen an Bedeutung zu. In Frankreich steht das Fach Film schon lange auf dem Stundenplan.

Europa
In Deutschland ist seit einigen Jahren ein steigendes Interesse von öffentlicher Seite aus am Thema Medienkompetenz und –bildung zu erkennen, wie z.B. die beiden Konferenzen der Berliner Filmerziehungs-Initiative ‚Vision Kino’ („Film-Kompetenz-Bildung“), der Bundeszentrale für politische Bildung („Zwischen Inszenierung und Information“) oder Aufklärungsportale wie www.klicksafe.de zeigen.
Vorreiter auf dem Gebiet der Medienbildung waren aber Skandinavien, Frankreich, Großbritannien und Ungarn. Diese Länder haben „Medien“ als wesentlichen Bestandteil in ihren kulturpolitischen Programmen verankert (In England ist ‚Media Literacy’ z.B. eigenes Studienfach).
Im September 2006 wurde im Vorfeld von MEDIA 2007 im slowakischen Piešt’any mit Experten aus West- und Osteuropa aus dem audiovisuellen, universitären und kulturpädagogischen Bereich eine Konferenz zum Thema veranstaltet. Die Teilnehmer unterstrichen die Wichtigkeit einer zielorientierten EU-Politik, die konkrete Orientierungen zur Umsetzung von „Bürgerbildungs“-Maßnahmen macht bzw. Standards setzt.

‚Media Literacy’ als Grundsatz
Seit dem Jahr 2000 trifft sich drei Mal pro Jahr eine 25-köpfige Expertengruppe, um im Auftrag der Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien den Begriff klarer abzustecken und mögliche Inhalte zu definieren, die eine sinnvolle europäische Media-Literacy-Politik begründen könnten. Angelehnt an die Grundsätze des MEDIA-Programms soll einer der Schwerpunkte auf den Punkt Filmerziehung gelegt werden. Beispielhaft wären z.B: Kooperationsprojekte zwischen Festivals, Kinos und Schulen, die als „Schulen des Sehens“ den Sensibilisierungsprozess für europäisches Kino(erbe) vorantreiben. Ein zweiter wichtiger Komplex wird natürlich das Internet sein. Grundstein hat in diesem Fall das „Safer Internet Programm“ gelegt, das Aktionen zur Internet-Sicherheit für Eltern, Lehrer und Jugendliche fokussiert und ebenso an IT-Akteure appelliert.
Derzeit werten die Experten einen Fragebogen aus, der an europäische Akteure aus dem Kultur- und Bildungsbereich sowie der Filmindustrie gerichtet war, um herauszufinden, welche Maßnahmen die Entwicklung einer medienkompetenten Gesellschaft vorantreiben könnten. Gefragt wurde allgemein nach der Einschätzung und der Beschreibung gegenwärtiger Bildungsangebote, nach der Bedeutung des schulischen und außerschulischen Rahmens und nach dem Engagement der nationalen und regionalen Institutionen. Konkret wurden darüber hinaus die öffentlichen und kommerziellen Bildungsangebote im Film- und Internetbereich abgefragt. Beide Bereiche werden eine maßgebliche Rolle spielen. Wie und in welcher Form in der EU konkret durch medienpolitische Rahmenprogramme Einfluss auf die Stärkung der nationalen und globalen Kommunikationsstrukturen genommen werden kann, wird frühestens mit der Auswertung des Fragebogens wieder ein Stückchen klarer. Immerhin, die „Sicht“ wurde frei gemacht.
Andrea Greul

Weitere Infos hier:
http://ec.europa.eu/comm/avpolicy/media_literacy/index_en.htm