Wie finanziere ich europäisch?

Nicht-nationale Möglichkeiten der Fremdfinanzierung

Es ist bestimmt schwer zu entscheiden, was die eigentliche kreative Leistung bei der Filmproduktion ist, die künstlerische Gestaltung oder die Finanzierung.

Um den deutschen Produzenten Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie auch über ihre Landesgrenzen hinaus Finanzierungsquellen auftun können, hat die MFG, die Filmförderung in Baden-Württemberg, gemeinsam mit dem MEDIA Desk Deutschland zu einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Wie finanziere ich europäisch?“ eingeladen. Schon lange sucht man in Brüssel nach einer Lösung, die Produzenten bei ihren Finanzierungskosten zu unterstützen. Bisher hilft nur das Fördermodell i2i audiovisual, das einen Teil der Kosten für Versicherung, Fertigstellungsgarantie und Kreditzinsen übernimmt. Mit der geplanten Förderlinie „access to finance“ möchte MEDIA den Produzenten darüber hinaus den Zugang zu privaten Finanzquellen erleichtern und die Möglichkeiten auch für kleinere Firmen, Risikokapital zu beschaffen, vergrößern. Irina Orssich, bei MEDIA für diesen Bereich zuständig, erklärte ihr Bemühen, Modelle zu entwickeln, die Banken in allen Mitgliedsländern ermutigen sollen, sich im audiovisuellen Sektor zu engagieren. Ergänzend zu Gesprächen mit Finanzinstituten in den entsprechenden Ländern soll im März 2009 ein Bankengipfel organisiert werden, der vorantreiben soll, dass ein europaweites Finanzierungsinstrument für die audiovisuelle Branche unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Rechtssysteme entstehen kann.

Bisher ist Frankreich führend in puncto Filmfinanzierung durch Banken. Gleich drei Bankenfonds haben sich ausschließlich der Filmfinanzierung verschrieben: Cofiloisirs, Coficiné und Fortis – und seit einigen Jahren können sich deutsche Produzenten auch ohne einen französischen Partner direkt an diese Kreditinstitute wenden. „Es ist nicht billig, das Geschäft mit den französischen Banken“, bestätigt Isabelle Devaux, zuständig für die Auswahl der kreditwürdigen Projekte bei Cofiloisirs, „aber wir bieten viel Service und vor allem einen schnellen Abschluss.“ 500 Millionen Euro Kreditvolumen werden von nur 20 auf Filmfinanzierung spezialisierten Personen verwaltet. Kommen kann jeder, überzeugen müssen der Regisseurs, die Schauspieler, die Location und letztlich das Vertrauen in die Fähigkeit des Produzenten. Cofiloisirs deckt keine Schlussfinanzierung, Kredite gibt es nur auf bestehende Verträge und sichert dem Produzenten den Cash-Flow. So wird ein Kreditrahmen vereinbart, der im Zuge der Entwicklung der Produktion sukzessive ausgezahlt wird. Nun gibt es in Frankreich zwei Instrumente, die das Bankenrisiko minimieren. Zum einen gibt es einen staatlichen Fonds, IFCIC, der 50% des bewilligten Kreditrahmens absichert und damit ähnlich einer Bürgschaftsbank operiert. Zum anderen besteht in Frankreich das „registre public“, eine Art öffentliches Archiv, in dem sämtliche Verträge eines Films hinterlegt werden, und die damit erst ihre Rechtsgültigkeit erlangen. Das erleichtert es den Banken, den Produzenten auf seine Kreditwürdigkeit zu überprüfen. Außerdem dient das Register den Banken als Sicherheit, so dass weder das Produzentengehalt noch das Firmenkapital als Bürgschaft für den Kredit angetastet wird. Eine weitere Absicherung für die Bank besteht darin, dass die Produktionsgelder, z.B. durch Förderer, direkt an Cofiloisirs fließen.

Ein entscheidender Vorteil der Systeme besteht in der flexiblen Kreditvergabe, sie ist schnell, kompetent und individuell auf das Projekt abgestimmt. Obwohl der Zinssatz nicht höher ist als bei deutschen Banken, entstehen Kosten, die genau kalkuliert sein müssen. Deshalb rentiert sich ein Abschluss auch erst ab einer Summe von ca. 1 Million Euro Kreditvolumen.

Mit i2i hat MEDIA bereits einen Anfang getan, dem Produzenten die hohen Finanzierungskosten zu erleichtern. Bei der mit 35 Millionen Euro budgetierten Koproduktion „Mr. Nobody“, dessen deutscher Partner Integral Film ist, haben sich die Finanzierungskosten auch aufgrund der extrem langen Drehzeit von 125 Tagen und 14 Monaten Postproduktion auf 4,5 Millionen Euro subsumiert. Normalerweise liegen diese Kosten in Deutschland bei 7%. Nun hat MEDIA im Auge, ein europaweites Finanzierungssystem à la française an zu regen, das unabhängigen Produzenten den Zugang zu Geldern ermöglichen soll. Um Kosten zu sparen, wäre es sicher von Vorteil, wenn sich in jedem Mitgliedsland ein auf Filmfinanzierung spezialisiertes Bankenpool bilden würde. Denn in Deutschland ist die Finanzierung von mehreren Filmen pro Jahr für einen Produzenten aufgrund von mangelndem Kreditvolumen für die Filmindustrie fast nicht möglich. Also bleibt zu hoffen, dass sich bei den deutschen Banken eine ähnliche Koproduktions- bzw. Kooperationsbereitschaft wie unter Filmproduzenten durchsetzt.

Dieser Artikel ist aus unserem MEDIA Magazin 2009, das man kostenfrei bei MEDIA Desk Hamburg bestellen kann.