"Ohne PR- und Marketing ist es für europäische Filme kaum möglich, international sichtbar zu sein”

20 Jahre FSS Film Sales Support - Interview mit Cornelia Klimkeit, Leiterin bei European Film Promotion (EFP) für das Förderprogramm für europäische Weltvertriebe

  • EFP Europe! Hub @ Filmart Hong Kong (c)°efp und Cornelia Klimkeit, Leiterin von FSS

Film Sales Support (FSS), die Anlaufstelle für Weltvertriebe europäischer Filme, wird 20 Jahre alt. Wir haben mit der Leiterin Cornelia Klimkeit über die Arbeit des Programms und wie sich der weltweite Markt für europäische Filme entwickelt, gesprochen. 

FSS bietet Zuschüsse von bis zu 5.000 € oder 5.500 € (einschließlich des Inclusion Top Up Grant) für internationale Werbekampagnen (maximal 50% der Gesamtkosten). In den 20 Jahren wurden 2.881 Filme in ihrem weltweiten Vertrieb unterstützt, 1.443 Filme verkauft und über 7 Millionen Euro Förderung vergeben. Rund 90 Weltvertriebe wurden von FSS unterstützt. Hier geht es zu einem Clip bei LinkedIn, der die Arbeit von FSS zeigt.

Das gesamte Interview

Creative Europe Desk Hamburg: 20 Jahre Film Sales Support – herzlichen Glückwunsch und auch Dank an European Film Promotion! Seit Juni 2024 leitest du die Förderung von EFP für Weltvertriebe.
Was hat sich in den 12 Jahren, in denen Du bereits dabei bist, verändert?

Cornelia Klimkeit: In den ersten Jahren meiner Mitarbeit bei Film Sales Support (FSS), waren Ausrichtung und Abwicklung der Förderung von inhaltlicher und struktureller Kontinuität geprägt. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich diese Dynamik jedoch grundlegend verändert. Bereits vor der Pandemie bemühten wir uns, die Weltvertriebe zu motivieren, digitale Promotionstrategien zu entwickeln, um innovative Ansätze zu fördern. Anfangs begegneten einige Weltvertriebe diesem Anspruch mit Skepsis und bevorzugten bewährte klassische Formate wie gedruckte Flyer und Poster. Mit dem Einsetzen der Pandemie wurde jedoch schnell deutlich, wie wichtig dieser Schritt war. Dank unserer vorherigen Vorbereitungen konnten wir nahtlos auf digitale Formate umstellen.
Die Zeit der Pandemie selbst war wirtschaftlich zweifellos eine der schwierigsten Phasen, bot jedoch gleichzeitig enormes Potenzial für innovative Kampagnen. Weltvertriebe probierten verschiedenste Ansätze aus – von eigens produzierten Pitching-Clips über bewegte digitale Poster bis hin zu kreativen Gimmicks, die an die internationalen Einkäufer:innen verschickt wurden. Unser Fördersystem konnten wir – auch dank der Flexibilität des Creative Europe MEDIA Programms, das FSS finanziert - schnell und unbürokratisch an diese neuen Anforderungen anpassen, was zu einem intensiven und fruchtbaren Austausch führte. Dieser Prozess hat nicht nur den Weltvertrieben, sondern auch den nationalen Filminstitutionen (den EFP Mitgliedsorganisationen) einen großen Mehrwert geboten und unser Ansehen in der Branche gestärkt. Derzeit erleben wir eine Phase der Stabilisierung und eine teilweise Rückkehr zu bewährten Formen der Promotion. Zeitliche und finanzielle Ressourcen sind knapper, und die Experimentierfreude hat natürlich spürbar nachgelassen. Dabei ist die Rolle der Weltvertriebe besonders in den letzten fünf Jahren aufgrund der veränderten Marktbedingungen auch viel komplexer geworden ist. Sie müssen innovative Ansätze entwickeln, um ihre Relevanz in der sich wandelnden Landschaft des internationalen Filmvertriebs zu bewahren.

CED HH: Welche Märkte sind für welche europäischen Filme besonders interessant?
Cornelia Klimkeit: FSS richtet sich ausschließlich an Märkte außerhalb Europas, wobei die von uns im Austausch mit den europäischen Weltvertrieben ausgewählten förderfähigen Festivals und Märkten genau anzeigen, welche Veranstaltungen für europäische Filme im Moment besonders interessant sind.
Auch wenn nach der Pandemie eine leichte Erholung spürbar ist, bleibt die Situation auf den außereuropäischen Märkten angespannt. Zwar ist die Zahl der verkauften Filme über die letzten zehn Jahre kontinuierlich gestiegen, doch die Zuschauerzahlen für europäische Filme sind rückläufig und liegen 35 % unter dem Durchschnitt der Vor-Pandemie-Zeit (siehe Studie „Made in Europe: Theatrical Distribution of European Films Across the Globe 2014–2023“* vom European Audiovisual Observatory, November 2024). Dieser Rückgang ist in Nordamerika und Asien besonders ausgeprägt. Asiatische und lateinamerikanische Verleiher:innen agieren zurückhaltend und konzentrieren sich stärker auf nationale Produktionen. Auf asiatischen Märkten wie dem FILMART in Hongkong oder dem Asian Contents and Film Market in Busan bevorzugen Käufer:innen derzeit kommerzielle Filme mit einem bekannten Cast und vermeiden größere Risiken. Dennoch ist die Präsenz der Weltvertriebe vor Ort essenziell, da asiatische Einkäufer:innen nach wie vor seltener an europäischen Festivals und Märkten teilnehmen. Vor diesem Hintergrund hat die Teilnahme an asiatischen Märkten im postpandemischen Kontext an Bedeutung gewonnen.
Der nordamerikanische Markt zeigt zwar eine leichte Stabilisierung, bleibt jedoch weiterhin unter den Verkaufszahlen der Vor-Pandemie-Zeit. Grundsätzlich zeichnen sich Tendenzen ab, dass sich Weltvertriebe auf weniger Märkte konzentrieren wollen. Allerdings bleibt noch unklar, welche außereuropäischen Festivals und Märkte sich langfristig durchsetzen werden.

CED HH: Haben sich die Weltvertriebe in ihrer Ausrichtung verändert? Gibt es stärker Spezialisierungen?
Cornelia Klimkeit:
Was wir beobachten, ist eine zunehmende Bedeutung von spezialisierten Genrefilmen und Animationsfilmen. Es gibt Weltvertriebe wie Reel Suspects und WT Films aus Frankreich, die sich auf Genrefilme spezialisiert haben, oder die deutschen Weltvertriebe Sola Media und Epsilon Film, die ihren Fokus auf Kinder- und Animationsfilme legen. Grundsätzlich erkennen wir jedoch eine allgemeine Erweiterung der Portfolios: So nehmen beispielsweise Kinology aus Frankreich zusätzlich Genrefilme in ihr Line-up auf, ebenso wie der belgische Weltvertrieb Best Friend Forever, während LevelK aus Dänemark oder Indie Sales und Urban Sales aus Frankreich gute Verkaufsergebnisse ihrer ausgewählten Animationsfilme berichten.

CED HH: Wie ist die Stimmung bei den Sales Agents? Wie blicken sie ins neue Jahr?
Cornelia Klimkeit: Ich würde sagen, die Stimmung ist sehr gemischt – abhängig vom Line-up und der Positionierung der Weltvertriebe. Auf der einen Seite erhalten wir das Feedback, dass Verleiher:innen zwar weiterhin vorsichtig agieren, aber die Zuschauer langsam wieder in die Kinos zurückkehren und die Bereitschaft zum Einkauf wieder zunimmt. Allerdings suchen Käufer:innen zunehmend nach kommerziellen Titeln wie Actionfilmen, Thrillern oder Produktionen mit bekannten Schauspieler:innen. Dies macht es deutlich schwieriger, europäische Festivalfilme auf deren Radar zu bringen. In diesem Kontext ist die Unterstützung durch Film Sales Support, die es z.B. ermöglicht einen Publicist zu engagieren oder die ein oder andere zusätzliche Promotionmaßnahme zu finanzieren, von entscheidender Bedeutung. Ohne eine effektive PR- und Marketingstrategie ist es für europäische Filme kaum möglich, für internationale Einkäufer sichtbar zu sein.

CED HH: Wie geht es 2025 weiter, gibt es neue Wege, die ihr beschreitet?
Cornelia Klimkeit: Grundsätzlich ist nach einer Phase des Experimentierens (wir haben bereits vor der Pandemie alternative Fördermodelle wie das FSS Slate Funding oder während der Pandemie den FSS Open Call ausprobiert) nun eine Zeit der Konsolidierung angebrochen. Die Weltvertriebe wünschen sich eine geregelte Verlässlichkeit zurück, bei der sie auf langfristige Förderkriterien und feste Deadlines bauen können. Trotz sinkender Marktanteile nimmt das allgemeine Arbeitspensum zu. Die Anforderungen werden kleinteiliger und es wird zunehmend schwieriger, Aufmerksamkeit zu generieren. Deshalb haben wir gemeinsam mit den Weltvertrieben analysiert, welche Ansätze erfolgreich sind und welche nicht, und bieten nun wieder einen festen Kalender mit förderfähigen Festivals und Märkten an. Im aktuellen Förderjahr neu dabei ist das Fantastic Fest (USA), das der wachsenden Bedeutung von Genrefilmen Rechnung trägt. Außerdem haben wir die bisher separat angebotene Förderung FSS Inclusion für Filme, die Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Chancengleichheit und Inklusion behandeln, angepasst und bieten jetzt ein FSS Inclusion Top-Up Grant für alle FSS geförderten Festivals und Märkten an. Auf diese Weise möchten wir die Weltvertriebe dazu ermutigen, verstärkt in die Promotion von inklusiven Filmen zu investieren.

Perspektivisch evaluieren wie gerade, wie wir in Zukunft verstärkt die Promotion von nachhaltigen Produktionen fördern können.

Alle Infos zu Film Sales Support

*In pre-pandemic years (2017-2019), European films sold 367 m. tickets on average. In 2023, 239 m. tickets were sold (-35%).
https://www.obs.coe.int/en/web/observatoire/-/made-in-europe-theatrical-distribution-of-european-films-across-the-globe-2014-2023

Aktuelle Bewerbungstermine für Film Sales Support

  •     European Film Market 2025, Berlin, 13.-19.2., bewerben bis 16.1.

  •     Sundance Film Festival 2025, Park City, USA, 23.1.-2.2., bewerben bis 9.1.

  •     South by Southwest Film & TV Festival (SXSW), 7.-15.3., Austin, USA, bewerben bis 21.2.

  •     Hong Kong International Film & TV Market, 17.-20.3., bewerben bis 24.2.