Monster, Künstler, Generation - Die MEDIA Highlights als Porträts

  • Filmszene aus "Das Verschwinden des Josef Mengele": August Diehl schaut in den Spiegel

    "Das Verschwinden des Josef Mengele" © LupaFilm, CG-Cinema, HypeStudios

  • Filmszene aus "Franz K.": Ein Mann schaut gerade in die Kamera

    "Franz K." © Marlene Film Production, X-Verleih

  • Filmszene aus "Skinny Love": Zwei junge Menschen liegen im Bett und schauen auf ein Handy

    "Skinny Love" © Salzgeber

Das gemalte wie das filmische Porträt bildet den Menschen ab und versucht ihn zu begreifen. Der Malerei muss dafür ein einziges Bild reichen, während dem Film 24 Frames pro Sekunde zur Verfügung stehen. Der Film kann, soll und muss also über die kunstvolle Außenansicht des Menschen hinausgehen. Er erlaubt einen Blick in den Menschen hinein und durch seine Augen wieder hinaus. Denn was wir wollen, ist das Innere des Monsters zu sehen, den Blick des Künstlers auf die Welt zu verstehen und durch die Augen einer ganzen Generation zu blicken. 

Die Augen des Monsters. In Kirill Serebrennikovs "Das Verschwinden des Josef Mengele" sind es die Augen des groß aufspielenden August Diehl. In ihnen sehen wir den ehemaligen Lagerarzt von Auschwitz über Jahrzehnte im südamerikanischen Exil verfallen und durch sie sehen wir die wahnhafte Verdrehung der Geschichte. Vom Dienst an der Wissenschaft fabulieren sie vor der Anklage des eigenen Sohnes: "Warum warst du in Auschwitz?" Die Schwarzweiß-Verfilmung des Tatsachenromans von Olivier Guez ist ein intensives Porträt eines Scheusals, das über Jahre vor den Konsequenzen seiner Handlungen flieht und sich dabei immer tiefer in Paranoia und Wahnsinn verliert, obgleich ihm die deutsche und internationale Justiz nicht annähernd so vehement zu Leibe rückt, wie es die Schwere der Schuld erfordert hätte. Ein relevantes Porträt, kunstvoll inszeniert.

Mit "Franz K." liefert die Oscar-nominierte Regisseurin Agnieszka Holland ein Biopic der anderen Art. Sie erzählt die Geschichte vom Vater, dem Verlegerfreund und der Reihe an Verlobten nicht einfach herunter, sondern bettet sie in surreale Bilder, die der gequälten Seele Franz Kafkas entsprungen sein könnten. Das muss sie auch, denn wir kennen das Porträt des schlanken, jungen Mannes mit dem eindringenden Blick bereits gut. Es hat einen jeden von uns bereits intensiv vom Lektüreschlüssel der 'Verwandlung' oder des 'Prozesses' angestarrt. Ein filmisches Porträt des großen Franz Kafka muss uns hingegen wirklich nachspüren lassen, wie man die Welt um sich herum gesehen haben muss, um sich eines Morgens, nach unruhigen Träumen, zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt zu fühlen. Agnieszka Holland hat sich der Herausforderung kunstvoll gestellt. 

Generationen funktionieren in Wellen: Erst werden die Fesseln von Konvention und Scham gesprengt, nur damit sich die Kinder später für ihre schamlosen Eltern schämen können. Am gegenwärtigen Ende dieser Entwicklung steht eine zwischen digitalem Voyeurismus und urbaner Vereinsamung zerrissene Generation. Z – das Ende der Fahnenstange. Sigurður Anton Friðþjófsson schafft mit "Skinny Love" ein Porträt der Gen-Z, das alle älteren Generationen unterhaltsam und nahbar vor das Dilemma stellt, wie man mit den provokanten Lebensentwürfen einer Generation umgehen soll, die nicht mal als Provokation gemeint sind. Liebevoll, lustig, nahbar und nackt. 

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