MEDIA, die Vierte

Interview mit Aviva Silver

Seit dem 1. Januar 2007 läuft das neue MEDIA-Programm, das die audiovisuelle Industrie bis 2013 in mindestens 31 europäischen Ländern unterstützen wird. Der Übergang von MEDIA Plus zu MEDIA 2007 war reibungslos, der Weg zum neuen Programm und eine Gewährleistung des pünktlichen Starts nicht ganz so einfach. Aviva Silver, seit Dezember 2005 Leiterin des MEDIA-Programms , hat den Weg zu MEDIA 2007 hinter den Kulissen miterlebt. In einem Gespräch mit Ingeborg Degener von der MEDIA Antenne in München erläutert sie die Schwepunkte des Programms.

Welches sind die Zielsetzungen der Maßnahmen der EU Kommission im audiovisuellen Bereich? Die europäische Film-, Fernseh- und Multimedia-Industrie kann nur wettbewerbsfähig sein, wenn sie attraktiv für Investoren ist und die notwendigen finanziellen Mittel anzieht. Sie muss versuchen, die Möglichkeiten der digitalen Technologien in allen Stadien der Wertschöpfungskette optimal zu nutzen. und flankierend hierzu einen sinnvollen gesetzlichen Rahmen bieten, der den Bedürfnissen der Industrie Rechnung trägt.Es kommt darauf an, die technologischen Entwicklungen zu verfolgen und sicherzustellen, dass auch bei anderen Maßnahmen der Europäischen Union zur Digitalisierung, zum Beispiel in den Bereichen Forschung und Industrie, die Interessen der europäischen Filmindustrie und der gesamten Branche berücksichtigt werden. Dabei ist es notwendig, eventuell bestehende Hindernisse ebenso wie Möglichkeiten durch die Digitalisierung zu analysieren um herauszufinden, auf welchen Gebieten Zusammenarbeit möglich und sinnvoll ist. Danach können dann Strategien festgelegt und über Fördermaßnahmen entschieden werden. Die Nachfrage nach Förderung durch die Europäische Kommission steigt. Die Wettbewerbsfähigkeit des audiovisuellen Sektors hängt davon ab, ob es gelingt, die notwendigen finanziellen Mittel zu mobilisieren und das Potential der neuen digitalen Technologien auszuschöpfen. Welche Prioriäten setzt MEDIA 2007? MEDIA 2007 hat drei übergreifende strategische Ziele: Erstens, die kulturelle Vielfalt in Europa zu fördern und das Film-Erbe zu bewahren, den Bürgern Europas zugänglich zu machen und den interkulturellen Dialog zu befördern. Zweitens, die Verbreitung europäischer Werke innerhalb und außerhalb der Europäischen Union zu steigern, und drittens die Wettbewerbsfähigkeit der audiovisuellen Industrie Europas in einem offenen und von Konkurrenz geprägten Markt zu stärken. Darüber hinaus setzen wir erstmals eine Anzahl horizontaler, das heißt bereichsübergreifender Prioritäten. So wurde zunächst der Bereich Aus- und Fortbildung in das Programm integriert. Nun geht es darum, die Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungen für Produzenten, Verleiher und andere Akteure der Branche, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, zu forcieren und den Einsatz digitaler Technologien zu stärken. Diese Prioritäten sollen in alle Förderbereiche aufgenommen werden. Bisher widmete sich MEDIA im Bereich der Pilotprojekte den digitalen Technologien. Wir setzen dies in MEDIA 2007 fort, aber bestimmte Aspekte finden sich jetzt im gesamten Programm wieder. Welche neuen Maßnahmen sieht MEDIA 2007 vor und wann werden sie eingeführt? Neue Fördermaßnahmen sind in den genannten Bereichen Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungen und Einsatz neuer Technologien vorgesehen. Die Richtlinien sind in Arbeit und sollen dem MEDIA Komitee noch im ersten Halbjahr 2007 vorgelegt werden. Als der Ministerrat das von der Europäischen Kommission beantragte Budget für MEDIA 2007 von 1.055 Millionen Euro auf 755 Millionen Euro kürzte, verkündete die EU Kommission, dass dieses Budget immer noch eine kritische Masse darstelle, aber dass alle Förderbereiche einer Reevaluierung unterzogen würden. Was ist dabei herausgekommen? Die Entscheidung des Ministerrats macht es zweifellos schwerer, die Ziele des Programms zu erreichen. Alle Fördermaßnahmen wurden sowohl in der unabhängigen Studie der Halbzeitauswertung als auch innerhalb der einzelnen Bereiche einer Prüfung unterzogen. Daraufhin sah sich die Kommission zu ihrem Bedauern genötigt, die Unterstützung des transnationalen Vertriebs europäischer Filme auf VHS und DVD einzustellen. Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, und sie ist ohne Beispiel in den sechzehn Jahren der Existenz des MEDIA-Programms. Wird die Einführung neuer Fördermaßnahmen eine Reduzierung der Mittel für die „klassischen“ Förderungen wie die selektive und automatische Verleihförderung, TV-Ausstrahlungsförderung, MEDIA Development oder Training mit sich bringen? Es ist wichtig, auf neue Entwicklungen innerhalb der Medienbranche vorbereitet zu sein und dabei spielen die neuen Maßnahmen eine entscheidende Rolle. Das heißt nicht, dass dies auf Kosten anderer Maßnahmen geht, aber alle Förderungen werden daraufhin untersucht, ob sie dem sich verändernden Markt und den technologischen Entwicklungen angepasst sind. Wie wird das Budget auf die einzelnen Förderbereiche und über die sieben Jahre aufgeteilt? Die Gesamtsumme von 755 Millionen Euro wird auf fünf übergeordnete Bereiche verteilt: 55 % Vertrieb, 20 % Development, 9 % Promotion, 7 % Aus- und Fortbildung, 5% Verwaltungskosten und 4% für Pilotprojekte. Dabei wird das Jahresbudget sich mit fortschreitendender Dauer des Programms erhöhen, von 75 Millionen Euro in 2007 bis auf 107 Millionen Euro in 2013. Das niedrige Budget für 2007 ist durch außergewöhnliche Umstände verursacht, vor allem durch die Kosten der Aufnahme von Bulgarien und Rumänien in die Union. Das wird in allen Bereichen spürbar sein, aber von 2008 an bis 2013 gibt es wie gesagt jedes Jahr mehr Mittel. Unter MEDIA Plus waren einheitliche Finanzvorschriften bindend für alle Förderbereiche. Der Vorschlag für MEDIA 2007 sieht die Möglichkeit vor, die Finanzvorschriften und den Verwaltungsaufwand in Proportion zur Höhe der Fördersumme zu setzen. Können Sie uns dafür Beispiele nennen? Da sprechen Sie eine sehr positive Entwicklung von MEDIA 2007 an, die wir nutzen werden, um den Förderempfängern das Leben leichter zu machen. Die Details müssen noch mit den Finanzabteilungen abgestimmt werden, aber wir beabsichtigen, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren und von dem Bereich und Höhe der Förderung abhängig zu machen. Dies wird besonders für kleine und mittlere Unternehmen, die MEDIA Förderung beantragen, Erleichterungen bringen. Interview: Ingeborg Degener