Duty Free

  • Dr. Hans Radau, Medien- anwalt und Partner im Münchner Büro der Anwaltskanzlei Nörr Stiefenhofer Lutz

Lange Zeit sah es so aus, als würden sich Großbritannien und die Euro-päische Kommission nicht über die beihilfenrechtliche Zulässigkeit des am 1. April 2006 eingeführten UK Film Tax Incentive Scheme (auch Film Tax ; genannt) einigen können. Nach einer kurzfristigen und radikalen Änderung des mit dem Film Tax Relief vorgelegten kulturellen Eigenschaftstests (Cultural Test) durch die britische Regierung genehmigte die Europäische Kommission, für viele überraschend, den Film Tax Relief am 22. November 2006 dann aber doch noch - eine Entwicklung, zu der die Einführung des deutschen Produktionskostenerstattungsmodells maßgeblich beigetragen haben dürfte. Hans Radau, der Mitglied der Expertenkommission des BKM war, die den neuen deutschen Filmförderfonds erarbeitet hat, erklärt das neue britische System. Der Cultural Test trat am 1. Januar 2007 in Kraft.
Der Film Tax Relief gilt für Filme, deren Dreharbeiten nach dem 31. März 2006 begonnen haben oder deren Dreharbeiten vor dem 1. April 2006 begonnen haben aber am 1. Januar 2007 noch nicht fertig gestellt waren. Der Tax Relief kann nur von Filmproduktionsgesellschaften (im Gegensatz zu Filmproduzenten) und nur für Fil-me in Anspruch genommen werden, die als so genannter britischer Film qualifizieren.

Voraussetzung hierfür ist, dass der Film eine bestimmte Min-destpunktzahl des neuen Cultural Test erreicht. Der mit dem Film Tax Relief verbundene Vorteil besteht in einer Kombination aus Sonderverlust und Barzahlung. Bemessungsgrundlage für den Sonderverlust wie auch die Barzahlung ist der Betrag der in England getätigten Produktionsausgaben.
Wer ist antragsberechtigt?
Antragsberechtigt ist nicht der Filmproduzent;, sondern die sogenannte Filmproduktionsgesellschaft; (Film Production Company). Filmprodu-zent ist nach britischem Verständnis die Person oder Gesellschaft, die sämtliche Produktionskosten trägt und, nach Fertigstellung des Films, Eigentümerin aller Rechte am Film ist. Im Gegensatz hierzu ist die Film-produktionsgesellschaft das Unternehmen, das für die gesamten Drehar-beiten, die Postproduktion sowie die endgültige Fertigstellung des Films verantwortlich ist. Die Filmproduktionsgesellschaft muss hierbei, wie der Antragsteller nach dem deutschen Produktionskostenerstattungsmodell, aktiv in die Filmherstellung eingebunden sein. Eine lediglich finanzielle Beteiligung reicht nicht aus.
Bei der Filmproduktionsgesellschaft muss es sich darüber hinaus um eine Kapitalgesellschaft handeln, die in Großbritannien ansässig und körper-schaftsteuerpflichtig ist.
Welche Voraussetzungen muss der dem Antrag zugrunde liegende Film erfüllen?
Der Film Tax Relief kann nur für sogenannte britische Filme („British Qualifying Films“) in Anspruch genommen werden. Hierfür muss der Film entweder den Cultural Test bestehen oder die Voraussetzungen einer of-fiziellen Koproduktion erfüllen. Offizielle Koproduktionen in diesem Sinne sind Koproduktionen nach einem von Großbritannien abgeschlossen bila-teralen Koproduktionsabkommen oder nach dem europäischen Kopro-duktionsübereinkommen von 1992. Die für den Film in Großbritannien getätigten qualifizierenden Produktionsausgaben (UK Qualifying Film Production Expenditure“ oder „UK Spend“) müssen mindestens 25 % der Gesamtherstellungskosten ohne Entwicklungskosten („Total Core Ex-penditure“) betragen.
Der neue Cultural Test
Der neue Cultural Test unterscheidet sich deutlich von der früheren Ver-sion. Zu den bisherigen Kategorien kultureller Inhalt (Cultural Con-tent“), „Produktionsorte und -anlagen“ („Cultural Hubs“) und „kulturelle Filmschaffende“ („Cultural Practitioners“) ist eine weitere Kategorie „kul-tureller Beitrag“ („Cultural Contribution“) hinzugekommen. Das Gewicht der Kategorien „Cultural Hubs“ und „Cultural Practitioners“ wurde deut-lich reduziert und die Bedeutung der Kategorie „Cultural Content“ her-aufgesetzt. Die Summe der in allen vier Kategorien insgesamt erreichba-ren Punkte beläuft sich auf 31. Um den Cultural Test zu bestehen, muss ein Film 16 der 31 Punkte erreichen. Die Gesamtpunktzahl von 31 ver-teilt sich auf die vier Kategorien wie folgt: Cultural Content 16 Punkte, Cultural Hubs 3 Punkte, Cultural Practicioners 8 Punkte und Cultural Contribution 4 Punkte.
Die finanziellen Vorteile für die Filmproduktionsgesellschaft
Der mit dem Film Tax Relief verbundene finanzielle Vorteil für die Film-produktionsgesellschaft besteht in der Kombination aus einem Sonder-verlust und einer Barzahlung. Nach den allgemeinen Regeln des briti-schen Steuerrechts führt die Herstellung eines Filmes grundsätzlich zu Verlusten in Höhe von 100 % der Herstellungskosten („gewöhnlicher Ver-lust“). Der Film Tax Relief gewährt nun, zusätzlich zu dem „gewöhnlichen Verlust“, einen Sonderverlust in Höhe von 100 % (bei Filmen mit Herstel-lungskosten bis zu 20 Millionen Pfund) bzw. 80 % (bei Filmen mit Her-stellungskosten über 20 Millionen Pfund) des UK Spend, wobei der UK Spend als Bemessungsgrundlage für den Sonderverlust auf 80 % der Herstellungskosten des Films gedeckelt ist. Bei einem Film mit einem Budget von über 20 Millionen Pfund kann die Summe aus dem gewöhnli-chen Verlust und dem Sonderverlust also maximal 164 % der Herstel-lungskosten betragen (100 % + 80 % von 80 % = 164 %). Die Filmher-stellungsgesellschaft kann den Gesamtverlust entweder vollständig steu-erreduzierend verwenden, oder einen dem Betrag des UK Spend ent-sprechenden Teil des Verlustes gegen eine Barzahlung des Fiskus in Höhe von 25% des UK Spend (bei Filmen mit Herstellungskosten bis zu 20 Millionen Pfund) und in Höhe von 20% des UK Spend (bei Filmen mit Herstellungskosten über 20 Millionen Pfund) „eintauschen“. Belaufen sich die Herstellungskosten eines Filmes also beispielsweise auf 100 Mil-lionen Euro und beträgt der UK Spend hieraus 80 Millionen Euro, so kann die Filmproduktionsgesellschaft insgesamt einen Verlust in Höhe von 164 Millionen Euro geltend machen. Diesen Verlust kann die Film-produktionsgesellschaft entweder vollständig zur Minderung ihres an-derweitigen steuerpflichtigen Einkommens einsetzen, oder einen Teilver-lust in Höhe von 80 Millionen Euro gegen eine Barzahlung in Höhe von 16 Millionen Euro (20 % von 80 Millionen Euro) „eintauschen“. Der verbleibende Verlust in Höhe von 84 Millionen Euro kann weiterhin steu-erlich genutzt werden.
Wie kann ein deutscher Produzent vom Film Tax Relief profitieren?
Es gibt keine Möglichkeit für einen deutschen Produzenten unmittelbar auf den Film Tax Relief zuzugreifen. Der deutsche Produzent kann je-doch in Großbritannien eine Kapitalgesellschaft errichten, die als Film-produktionsgesellschaft im oben genannten Sinne auftritt, den Sonder-verlust geltend macht und einen Teil des Sonderverlustes in Höhe des UK Spend gegen eine Barzahlung in Höhe von 20 % bzw. 25 % (je nach Budgetgröße) des UK Spend „eintauscht“. Der deutsche Produzent kann dann die Rechte an dem von seiner Tochtergesellschaft hergestellten Film zu einem Kaufpreis erwerben, der dem Betrag des nach dem „Ver-lusttausch“ verbleibenden Verlust der Filmproduktionsgesellschaft ent-spricht. Der Kaufpreis führt so zu keiner Steuerbelastung, da dieser in voller Höhe mit dem verbleibenden Verlust verrechnet werden kann.
In dem vorstehend dargestellten Beispiel würde der Kaufpreis für den Film also 84 Millionen Euro betragen. Die von dem deutschen Produzen-ten in Großbritannien errichtete Filmproduktionsgesellschaft würde die Filmherstellungskosten von 100 Millionen Euro in Höhe von 16 Millionen Euro aus der Barzahlung des britischen Fiskus und in Höhe von 84 Milli-onen Euro aus der Kaufpreiszahlung des deutschen Filmproduzenten bestreiten.
Kann der Film Tax Relief mit dem deutschen Produktionskostenerstat-tungsmodell kombiniert werden?
Aus der Sicht des deutschen Produktionskostenerstattungsmodells ist eine Kombination mit dem Film Tax Relief über eine deutsch-britische Koproduktion ohne weiteres möglich, vorausgesetzt der deutsche Kopro-duzent ist Mithersteller des Films und der Film erfüllt (auch) den deut-schen Eigenschaftstest sowie die deutschen Anforderungen an den Min-dest-German Spend. Auch der britische Film Tax Relief sieht die Mög-lichkeit von grenzüberschreitenden Koproduktionen vor, bislang aller-dings nur, sofern es sich um eine offizielle Koproduktion nach einem gül-tigen, von Großbritannien abgeschlossenen Koproduktionsabkommen handelt. Liegt eine offizielle Koproduktion vor, so reicht dies für die Ei-genschaft des Films als „britischer Film“ aus. Der Cultural Test kommt nicht zur Anwendung. Offen ist, ob ein Film auch im Falle einer inoffiziel-len Koproduktion als „britischer Film“ qualifizieren und der britische Ko-produzent als „Filmproduktionsgesellschaft“ im Sinne des Film Tax Relief angesehen werden kann. Diese Frage ist seit der Kündigung des deutsch-britischen Koproduktionsabkommens insbesondere für deutsch-britische Koproduktionen von Bedeutung. Das britische Ministerium für Kultur, Medien und Sport hat zu dieser Frage bislang noch keine eindeu-tige Stellung bezogen und statt dessen empfohlen, deutsch-britische Ko-produktionen nach dem Europäischen Koproduktionsübereinkommen durchzuführen.

Text: Hans Radau