Cineville: Na, dann geh doch ins Kino!

Ein neues Kino-Abo für Programmkinos nach europäischem Vorbild geht 2024 auch in Deutschland in den Start.

  • © Matthias Damm

  • Ein Foto vom Cineville-Gründungsteam, aufgenommen nach der Vereinsgründung am Rande der Berlinale 2023. V.l.: Mikosch Horn (Filmhaus Nürnberg), Matthias Elwardt (Hamburg), Matthias Damm (Nürnberg), Jürgen Lütz (Köln), Felix Grassmann (Hamburg), Christian Schmalz (Köln), Michael Isele (Freiburg). © Cineville Deutschland

„Das Kino ist zurück“, so jubelte nicht nur die Filmförderanstalt (FFA) erfreut, als sie im August 2023 die Ergebnisse der Kinobilanz für das erste Halbjahr verkündete. Den Besucher:innen von „Barbie“ (6 Mio.), „Oppenheimer“ (über 4 Mio.) oder – aus Deutschland – „Sonne und Beton“ (über 1 Mio.) sei Dank, denn diese Filme schrieben auch in Programmkinos starke Besucherzahlen. So erlebten laut rbb „Barbie“ und „Oppenheimer“ allein in Berlin in den Yorck-Kinos Besucheranstürme, bei denen 80 Prozent aller verkauften Tickets auf einen der beiden Filme zurückgingen. In den Arthouse-Kinos fanden aber auch europäische Hits wie „Triangle of Sadness“ (152.233 Besucher:innen) und deutsche Filme wie „Caveman” (532.938 Besucher:innen), „Das Lehrerzimmer” (197.161 Besucher:innen) oder „Roter Himmel” (127.975 Besucher:innen) ihr Publikum.

Auch wenn die Gesamtzahlen für 2023 noch nicht offiziell sind: Comscore meldete am 4. Januar 2024 einen Anstieg der Ticketumsätze in den deutschen Kinos 2023 um fast ein Viertel, auch wenn das vierte Quartal den herrlichen Kinoaufschwung bis zum Sommer wieder etwas eintrübte. Dennoch zeigte das Kinojahr 2023 eines: Lust und Neugier auf Kino und große Leinwände sind zurück, auch in der EU, in der laut Europäischer Audiovisueller Informationsstelle bereits 2022 der Marktanteil europäischer Filme im Vergleich zum Vorjahr von 26,8 % auf 28,4 % anstieg. Das während der Pandemie oft zitierte Kinosterben unterblieb weitgehend. Der Sehnsuchtsort Kino lebte 2023 weiter – und begeisterte einmal mehr mit quicklebendigen und diskursfreudigen Kinoerlebnissen.

Neue Liebe für das Kino – Zaubermittel Kino-Abo

Aber: Die Liebe für das Kino braucht die regelmäßige und intensive Pflege der Zielgruppen. Damit der Kinobesuch als wichtige geistige wie kulturelle Seelennahrung im Alltag verankert bleibt, sind frische Ideen und Innovationen, aber auch Anreize wichtig. Eines der Zaubermittel heißt Kino-Abos – und eine neue Abo-Initiative aus Deutschland heißt Cineville.

Cineville, so die Initiatoren, ist ein bundesweites Kino-Abo für alle, die gutes Kino lieben und Lust auf Entdeckungen haben. Für 22 bzw. 24 Euro im Monat (je nach Alter) erhalten Kinofans unbegrenzten Zugang zum gesamten Filmprogramm der teilnehmenden Programmkinos in ganz Deutschlands, ob für Neustarts, Filmreihen, Festivals oder Events. Vorbild ist das Abomodell Cineville aus den Niederlanden. Es wurde 2008 ins Leben gerufen und kann mittlerweile auch in Belgien und Österreich (hier unter dem Namen „Nonstop – Dein Kino-Abo”) Erfolge vermelden. In den Niederlanden gehören rund 60 Kinos in mehr als 20 Städten mit Abonnent:innen in einer mittleren fünfstelligen Zahl dazu. Die deutschen Gründungskinos von Cineville kommen aus den vier Städten Hamburg (Abaton, Zeise Kinos), Nürnberg (Filmhaus Nürnberg, Casablanca Filmkunsttheater), Köln (Odeon, Off Broadway) und Freiburg (Harmonie Arthouse). Sitz des Cineville Deutschland e.V. ist Hamburg, der Verein wurde bereits als gemeinnützig anerkannt. Gefördert wurde das Projekt im Sommer 2023 mit 100.000 Euro von der Europa Cinemas-Initiative „Collaborate to Innovate”. Sie unterstützt herausragende Kollaborations-Projekte von Mitgliedern des bekannten europäischen Kinonetzwerks. Diese spezielle Fördermaßnahme ging 2021 mit Hilfe von Creative Europe MEDIA erstmalig an den Start. „Eines der Hauptziele dieses Programms ist es, Projekte zu unterstützen, die das Potenzial haben, andere Kinobetreiber im Netzwerk und darüber hinaus zu inspirieren“, so Fatima Djoumer, CEO von Europa Cinemas. Weitere 100.000 Euro erhielt das deutsche Cineville-Abo im Frühjahr 2023 von der FFA.

Ein möglichst guter Start aus der Corona-Krise

Wie es zu der Idee eines deutschen Cineville-Abos kam, erläutert Matthias Damm, Theaterleiter des Casablanca Filmkunsttheaters in Nürnberg und einer der Projektverantwortlichen: „Wir kennen das Konzept Cineville ja schon lange von den Präsentationen auf den Tagungen von Europa Cinemas oder auf der Konferenz CinemaVision. Insofern haben viele Kinobetreiber die Idee im Kopf, dieses Modell auch in Deutschland zu etablieren. Konkret wurde es dann in verschiedenen Orten gleichzeitig, als alle sich damit auseinandersetzten, wie wir Kinos einen möglichst guten Start aus der Corona-Krise hinkriegen können. Hier in Nürnberg war es ein Telefonat zwischen Mikosch Horn vom Filmhaus Nürnberg und mir, bei dem wir darauf kamen, dass wir beide die Idee im Kopf haben, Cineville nach Deutschland zu holen. Wir haben uns dann umgehört und sind auf ähnliche Überlegungen in Köln und Hamburg gestoßen – daraus ergab sich der Kern unserer Initiative, zu der dann noch weitere Kinos dazukamen.“ Für das Cineville-Abo können sich unabhängige Kinos aus Deutschland – ob Arthouse-Filmtheater, Programmkinos, Filmkunstkinos oder Traditionshäuser – zusammenschließen, um ein gemeinsames Abonnement zu ermöglichen. „Cineville ist mehr als ein Abo – wir tun uns zusammen, um gemeinsam mit einer großen Zahl von Kinos Werbung für gute Filme zu machen und dafür, diese Filme auch da zu sehen, wo sie hingehören – auf den Leinwänden von guten Kinos. Wir setzen dabei auch sehr auf unsere Abo-Kund:innen – sie werden hoffentlich zu Botschafter:innen für unser Angebot werden, Leute ins Kino mitnehmen und Werbung für ihre Lieblingskinos und -filme machen“, so Matthias Damm über die Besonderheit des Abos.

Was wir vorhaben, ist sehr anspruchsvoll.

Klingt gut, ist aber auch viel Arbeit. Zu den vielen kleinen und großen Aufgaben für das Cineville-Team gehörte im Jahr 2023 der Aufbau von Strukturen oder die Arbeit an einem FAQ. Eine große Aufgabe sei es, die vielen technischen Systeme zusammenzubringen. Das jeweils eigene Kassensystem der Kinos bleibe bestehen, aber es mussten insgesamt vier große Kassensysteme angebunden werden. „Im Detail ist das, was wir vorhaben, sehr anspruchsvoll. Vor allem die Anbindung an die verschiedenen Kassensysteme ist nicht einfach“, benennt Matthias Damm die größten Herausforderungen. Wesentliche Erfolge aber sind dennoch bereits erreicht. So wurde Mirjam Haas als Projektkoordinatorin ins Team geholt und eine intensive Kooperation mit Indiekino vereinbart, die die Redaktion der Website auf technischer Basis der niederländischen Cineville-Website betreuen werden. Hier wird auch klar, wofür die Fördergelder im Wesentlichen gebraucht werden: für den Aufbau der Strukturen, Personal, Programmierarbeit oder Marketing.

Wir sind überzeugt, dass ein Abo funktionieren kann.

Am Ende der umfangreichen Vorbereitungen beflügelt das Erfolgspotential den Start von Cineville im neuen Jahr: „Wir sind überzeugt, dass ein Abo funktionieren kann. Einerseits deshalb, weil unsere Kundschaft über Abo-Systeme für Streaming und von Musik und Filmen völlig daran gewöhnt ist, für kulturelle Angebote einen Flatrate-Preis zu bezahlen – das dann mit Veranstaltungen vor Ort und dem eigenen Ausgehverhalten zu kombinieren, ist kein großer Schritt mehr. Und wir sind überzeugt, dass wir mit unserem Konzept zusätzliche Gründe liefern können, ein Abo abzuschließen – wir verstehen uns ja ausdrücklich nicht nur als Abrechnungssystem, sondern auch als Marketing-Maschine für gutes Kino“, so ein optimistischer Matthias Damm. Die sehr guten Reaktionen auf den Start des ebenfalls von Creative Europe MEDIA-geförderten „Nonstop – Dein Kino-Abo“ im Frühjahr 2023 in Österreich unterstreichen den Glauben an Cineville Deutschland.

Als gemeinnütziges Projekt der Branche helfen

Eng ist auch der Austausch mit den Verleihern, denn natürlich füllen sich gute Kinos am besten mit guten Filmen. Das weiß Matthias Damm selbstverständlich: „Von den Verleihern im Arthouse- und Filmkunstbereich bekommen wir begeisterte Rückmeldungen. Sie verstehen, dass unser Konzept helfen wird, mehr Publikum für gute Filme zu mobilisieren. Verschiedene wichtige Arthouse-Verleiher haben uns auch schon Unterstützung durch exklusive Previews oder ähnliches angeboten. Bei den Major-Verleihern ist es nicht ganz so leicht, wobei auch da die Rückmeldungen positiv sind. Hier herrscht manchmal die Meinung vor, Kinobetreiber würden mit neuartigen Abrechnungssystemen Geld einseitig zu ihren Gunsten verschieben, wenn etwa mit Dumping-Preisen und Paketangeboten mit Concession-Artikeln gearbeitet wird. Dabei ist das, was wir vorhaben, genau das Gegenteil davon – wir wollen als gemeinnütziges Projekt der Branche als solches helfen und gemeinsam mit den Verleihern mehr Publikum generieren.“ Dass die Idee von Kino-Abos keine exklusive ist und durchaus auch für andere Indieplayer auf dem Markt ziemlich interessant ist, zeigt bereits erfolgreich das Abosystem „Yorck Unlimited“ der Berliner Yorck Kinos (für 14 Kinos in Berlin und eines in München) und Cinfinity von Martin Turowski und Ralf Thomsen, dass ebenfalls 2024, gefördert von der FFA und BKM, auf den Markt gehen will.

Schritt für Schritt: Start im Jahr 2024

Da Cineville in diesem Jahr an den Start geht, dürfte das Kino-Abo auch bei der kommenden Berlinale 2024 für Gesprächsstoff sorgen. Zum Filmfestival werden die Cineville-Gründungskinos natürlich vor Ort sein und Werbung für das Abo machen, so Matthias Damm. Die weiteren Schritte skizziert Matthias Damm ebenfalls: „Wir arbeiten gerade an der Adaption des technischen Backends, das wir von Cineville Niederlande auf den deutschen Markt lizensieren, und auf die Implementierung in den Kassensystemen. Dann wird es einen Start in mehreren Stufen geben – zuerst eine Beta-Phase in unseren eigenen Kinos zu Erprobung der Technik, dann eine Ausweitung auf alle Kinos in den Start-Regionen und später Schritt für Schritt die Implementierung in weiteren Städten!“ Cineville plant zudem besondere Aktionen und Specials, um das hiesige Publikum für das Abo zu gewinnen. „Einerseits werden wir vor allem die Zielgruppe der Studierenden mit Aktionen und Sonderangeboten zum Beispiel zum Semesterstart in den Blick nehmen. Aber wir setzen auch darauf, eigene Veranstaltungen in den Cineville-Kinos anzubieten“, so Matthias Damm. Es bleibt spannend, wenn es heißt: „Willkommen in Cineville!“

Cineville Deutschland: Informationen für Kinos unter https://www.cineville.de/