DIE SÜSSE GIER - IL CAPITALE UMANO

Von Paolo Virzì, movienet, 8.1.

Alles beginnt mit einem Verkehrsunfall auf einer Landstraße nahe der Stadt. In
einer eisigen Nacht kurz vor Weihnachten wird ein Fahrradfahrer von einem
Geländewagen angefahren. Der Fahrer hält nicht an, um dem Verletzten zu helfen.
Polizeiliche Ermittlungen beginnen. Und während sich der Zustand des Mannes
immer weiter verschlechtert, geht das Leben der Personen weiter, die das Schicksal
durch den Unfall zusammengeführt hat:
DINO OSSOLA (Fabrizio Bentivoglio) ist äußerst zufrieden. Seine Tochter Serena
(Matilde Gioli) ist mit Massimiliano, dem Sohn einer der reichsten und mächtigsten
Familien der Stadt liiert, den Bernaschis. Offenbar hat es sich gelohnt, sie auf die
Eliteschule der Stadt zu schicken, die er sich eigentlich kaum leisten kann. Als
Immobilienmakler durchlebt er wegen der Wirtschaftskrise einen finanziellen
Engpass, doch durch Serena öffnen sich ihm die Türen zur traumhaften Villa der
Familie Bernaschi und zur funkelnden Welt der Finanzspekulation. Die Menschen
dort sind schön und reich und üben eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf ihn
aus. Von Geldgier benommen, riskiert er sein ganzes Vermögen und das Vertrauen
seiner Familie. Hinter dem Rücken seiner schwangeren Lebensgefährtin Roberta
(Valeria Golino) und seiner Tochter kauft er sich in den Investmentfond von Giovanni
Bernaschi (Fabrizio Gifuni) ein. Dass er dafür einen Kredit aufnimmt und damit gegen Vertragsklauseln verstößt kommt erst heraus, als die Geschäfte nicht mehr
planmäßig verlaufen. Dino bekommt sofort die Skrupellosigkeit des mit allen
Wassern gewaschenen Geschäftsmannes zu spüren: Ehe er sich versieht, ist er raus
aus dem Deal, von dem er sich so viel erhofft hatte. Großes Business braucht eben
gute Nerven und die hat er nicht. Dafür verfügt er über den Schlüssel, der die
Unschuld des Bernaschi-Sohnes am Verkehrsunfall beweist. Diese Info erkauft sich
Massimilianos Mutter teuer, denn die Polizei ist von der Schuld ihres Sohnes
überzeugt.
CARLA BERNASCHI (Valeria Bruni Tedeschi) hat ganz andere Probleme. Sie ist
sehr reich, zwar nicht mehr ganz jung, aber sehr attraktiv. Leider ist sie in gleichem
Maße unzufrieden. Ihr Leben ist hochkompliziert und voller Luxusprobleme. Mit
einem Theaterprojekt wird alles anders, denn ihr künstlerischer Direktor Donato
(Luigi Lo Cascio) sieht in ihr einen Star. Sie wird zu seiner Muse, zur Mäzenin und
Geliebten. Carla überschreitet mit ihm Grenzen: Im Liebesrausch genießt sie seine
Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Bis ihr Mann ihr das liebgewonnene Spielzeug
wieder wegnimmt und die Kulturstätte zu Apartments umfunktioniert - der
Finanzjongleur braucht dringend Bares. Der Affäre mit Donato wird die Grundlage
entzogen und als ihr verwöhnter Sohn in Verdacht gerät, den nächtlichen Unfall
verursacht zu haben, entdeckt Carla ihre Mutterrolle neu. Sie steht zu Massimiliano,
als sein Vater ihn längst abgeschrieben hat. Aber vielleicht ist es einfach nur ihr
schlechtes Gewissen, das sie zurück ins alte Leben drängt.
SERENA OSSOLA (Matilde Gioli) ist anders: Eine temperamentvolle junge Frau, die
genau weiß, was sie will und einen anderen Weg einschlägt als den, den ihr Vater für
sie vorgesehen hat. Denn für Serena zählen Ideale, nicht Macht und Reichtum. Ein
Glück, dass ihr Vater nicht weiß, dass sie sich längst von Massimiliano Bernaschi
getrennt hat. Ihr Herz gehört jetzt dem künstlerisch talentierten Luca, der als Waise
bei seinem drogendealenden Onkel lebt. Für ihn ist sie bereit, alles Mögliche zu tun.
Aber Massimiliano ist weiterhin präsent in ihrem Leben, besonders dann, wenn er
Hilfe braucht. Wie in der Unfallnacht. Massimiliano ist betrunken und Serena soll ihn
nach Hause bringen. Aber wer saß wirklich am Steuer seines Geländewagens, mit
dem der Unfall verursacht wurde?
Der ermittelnde Kommissar ist ratlos. Im diesem Fall treffen Welten aufeinander. Es
geht um Ansehen, Macht und Geld. Um die Gier nach mehr und die Angst vor dem
Verlust. Das Gefühlsleben und Schicksal aller scheint durch Geld bestimmt - wie
auch der Wert eines Menschenlebens. Um Schadensersatzansprüche
auszurechnen, haben Versicherungen einen klar definierten Satz: Die
Lebenserwartung eines Menschen, sein voraussichtliches Einkommen und die
Qualität und Quantität seiner menschlichen Bindungen. Fabrizio Lupi, der letztlich
tödlich verunglückte Fahrradfahrer, war der Versicherung gerade einmal lächerliche
218.976 Euro wert.