Wie stellt man ein Publikumsfestival online?

CPH:DOX und das Vilnius Film Festival berichten in Online-Konferenz

  • © Kino Pavasaris

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Absagen, verschieben oder online gehen? Das ist die Frage, die alle Festivals und Märkte gegenwärtig umtreibt. Das Vilnius Film Festival und das Dokumentarfilmfestival CPH:DOX gehörten zu den ersten, die sich in der Corona-Krise dafür entschieden, digitale Ausgaben ihrer Festivals zu veranstalten. In einer Online-Konferenz und Diskussion zu der das Creative Europe Desk Litauen zusammen mit dem Meeting Point Vilnius in Kooperation mit CPH:DOX einluden, stellten die beiden MEDIA-geförderten Festivals die Herausforderungen vor, mit denen sie dabei konfrontiert waren.

Über 500 Zuschauer*innen verfolgten das Streaming der Konferenz mit Algirdas Ramaska (Vilnius International Film Festival) und Sofie Bjerregaard (CPH:DOX). Die Aufzeichnung der Konferenz wurde auf YouTube veröffentlicht.

Lucia Recalde, Leiterin von Creative Europe MEDIA in Brüssel, begrüßte die über 500 Zuschauer*innen des Webinars "The Challenge of Realising a Digital Festival During the Coronavirus Pandemic: Experiences and an Exchange of Best Practices" und thematisierte die schwierigen Zeiten für die audiovisuelle Branche. Dass Festivals und Kinos im Moment wenig bis keine Einnahmen erzielen könnten, wisse man in Brüssel und sei bemüht, Hilfe anzubieten, indem Fristen verlängert und Budgets umgeschichtet würden. Aber man würde auch an langfristigen Lösungsansätzen arbeiten, um der Krise etwas entgegenzusetzen.

Innerhalb einer Woche musste das Vilnius International Film Festival (VIFF) das Programm auf eine Online-Version umstellen, berichtete CEO Algirdas Ramaska. Fünf lokale Streaming-Plattformen wurden ins Boot geholt, um knapp 70 Prozent der Filme im Programm und 90 Prozent der Wettbewerbsfilme zeigen zu können. Das Festival-Team konnte weiterbeschäftigt werden, war jedoch auch mit ganz neuen Aufgaben konfrontiert, etwa einem Servicedienst für Zuschauer*innen oder mit der Frage, wie man Streaming-Piraterie vermeiden konnte. Über 56.000 Mal wurden die Festivalfilme gestreamt, pro Streaming für 6,49 Euro, was etwas günstiger war als der normale Eintrittspreis im Kino. Mit einem Publikum von ca. 112.000 Zuschauer*innen im Vergleich zu 129.000 Besucher*innen beim Vilnius Film Festival im vergangenen Jahr könnte man durchaus zufrieden sein, so Ramaska. Zwar hatte die Hälfte der Sponsoren ihr Engagement abgesagt, aber die öffentlichen Zuschüsse waren fast gleich geblieben. Eine besondere Herausforderung sah Ramaska vor allem in der Technik: 118 Filme mussten in drei verschiedenen Formaten hochgeladen, neue Untertitel synchronisiert, das Publikum über das neue Format informiert und dafür gewonnen werden. Trotz der positiven Erfahrung, dass sich ein Festival sehr kurzfristig digital realisieren lässt und so auch ganz neue regionale Publikumsschichten gewonnen werden können, betonte Ramaska, dass sich das reale Erleben zum Beispiel einer Premiere dadurch nicht ersetzen ließe.

Innerhalb weniger Tage musste auch das Kopenhagener Dokumentarfilmfestival CPH:DOX online gestellt werden: 75 Prozent des Programms, das waren 150 Filme und 20 Live-Debatten, wurden ins Internet verlagert, berichtete Sofie Bjerregard, die Presseleiterin des Festivals. Die Reichweite lag bei 65.000 Streams mit 116.00 Zuschauer*innen (Multiplikationsfaktor: 1,7), der Ticketpreis halbierte sich auf 6 Euro. An Online-Live-Events nahmen 8.000 Zuschauer*innen teil, besonders erfolgreich war eine Online-Debatte mit Edward Snowden, die auch nach dem Streaming noch oft angesehen wurde. Für die meisten Filme gab es ein Limit von 1.000 Views. Bereitgestellt wurden die fast 200 Filme zum Streaming von Festival Scope und dem neuseeländischen Anbieter Shift72 . Anders als beim Vilnius Film Festival hatte man die Industry-Veranstaltungen nicht abgesagt, sondern zeigte vorab aufgezeichnete Pitchings und Videokonferenzen. So seien fast 900 Online-Meetings entstanden. Die CPH:CONFERENCE wurde fünf Tage lang live auf Facebook übertragen, das CPH:LAB nutzte Kaleidoscope für seine Pitchings und Feedback; und der CPH:Market war über Cinando zugänglich, wo rund 170 Filme gezeigt werden konnten.

Wie auch beim Vilnius Film Fest waren Service und Beratung für das Publikum bei der Online Edition eine besondere Herausforderung. Bjerregard betonte zudem, wie positiv in den regionalen wie internationalen Medien über die Online-Ausgabe von CPH:DOX berichtet wurde. Ein Erkenntnis aus CPH:DOX Online sei es, so Bjerregard, dass man auch in Zukunft digitale Inhalte stärker einbinden und bewerben würde, weil sich so ein größeres Publikum zu erreichen ließe, das dafür nicht unbedingt vor Ort sein müsse. Doch auch sie betonte, dass CPH:DOX als Live-Event nicht zu ersetzbar sei.

Das gesamte Online-Seminar ist verfügbar auf YouTube