Preisverdächtiges Portugal

Das Filmgeschehen auf der iberischen Halbinsel

"To die like a man" von Joao Pedro Rodrigues erhielt automatische Verleihförderung von MEDIA.

Auch, wenn es bei 25 Einreichungen nie für eine Oscar-Nominierung gereicht hat: Seit Jahren spielen portugiesische Filme im Rennen um Bären, Palmen & Co. mit. Grund genug, einen Blick auf das Filmgeschehen im sonnigen Staat auf der iberischen Halbinsel zu werfen.

Portugiesische Regisseure – da fällt zuerst der Name des Regie-Urgesteins Manoel de Oliveira, der im letzten Dezember immerhin stolze 102 Jahre alt wurde und der älteste noch arbeitende Filmemacher der Welt ist. Er lieferte, inspiriert durch Werner Ruttmanns „Berlin: Die Sinfonie der Großstadt“ bereits 1931 seinen ersten Dokumentarfilm „Douro, Faina Fluvial“, ein überwiegend sozialkritischer und darum im damaligen Salazar-Regime nicht gern gesehener Film über das Arbeitsleben am Ufer des Douro in Porto. Dieses Kurzwerk gilt als einer der ersten portugiesischen Filme überhaupt und brachte ihm vor allem in Frankreich gute Kritiken ein, während portugiesische Kritiker dem Film Handlungsarmut vorwarfen. 1942 veröffentlichte Oliveira seinen ersten abendfüllenden Spielfilm „Aniki-Bóbó“ über die Strassenkinder Portos. Der Film gilt bis heute als Wegbereiter für das neorealistische Kino Italiens, und der größte portugiesische Verleiher Lusomundo brachte ihn im Dezember 2010 sogar wieder auf die Leinwand, mit „Douro“ als Vorfilm. Finanziell allerdings war der Film seinerzeit ein Desaster, und im künstlerfeindlichen Klima der portugiesischen Rechtsdiktatur kehrte Oliveira der damals jungen Filmindustrie den Rücken, um erst 15 Jahre später mit einem weiteren Dokumentarfilm „The Artist and The City“ (die Stadt Porto durch die Augen von Maler und von Filmemacher gesehen) wieder aufzutauchen. Nach der Nelkenrevolution im Jahr 1974 konnte er sich dann hauptberuflich dem Filmemachen widmen, seine Werke liefen auf den großen Filmfestivals dieser Welt, und er erhielt eine Goldene Palme in Cannes (2008) – wenn schon nicht für einen Film - immerhin für sein Lebenswerk. Ein gutes Drittel der 25 bei den Academy Awards eingereichten Filme stammen übrigens vom Altmeister. Zwischen 1963 und der Revolution 1974 entstand, beeinflusst vom Neo-Realismus Italiens und der beginnenden französischen Nouvelle Vague in Portugal das „Novo Cinema“, eine Periode, die als Regisseure Fernando Lopes, Paulo Rocha oder auch einen António da Cunha Telles hervorbrachte. Der zweite Regisseur, der mit größeren internationalen Erfolgen auf Portugal aufmerksam machte, war der 2003 verstorbene João César Monteiro. Für seine Komödie „Erinnerungen an das gelbe Haus“, (ein exzentrischer Junggeselle landet schließlich im Irrenhaus) gewann er den Silbernen Löwen in Venedig 1989, und die Erotikgroteske „Eine göttliche Komödie“ über die Passionen eines alternden Sonderlings, war am gleichen Ort 1995 für den Goldenen Löwen nominiert und gewann den großen Preis der Jury. „Portugiesische Filme sind dazu bestimmt, auf internationalen Festivals entdeckt zu werden“, sagte der damals 25jährige Regisseur João Salaviza nur zwei Tage, bevor er 2009 in Cannes die erste Goldene Palme für einen portugiesischen Film überhaupt erhielt. Sein Kurzfilm „Arena“ portraitiert einen jungen Mann, der in einer der härtesten Gegenden Lissabons unter Hausarrest steht. Und tatsächlich sind portugiesische Filme mittlerweile von internationalen Festivals nicht mehr wegzudenken. Als einer der namhafteste Regisseure der neuen Generation gilt derzeit João Pedro Rodrigues, dessen Geschichte einer schwulen Drag-Queen „To die like a man“ 2009 im Wettbewerb von „Un Certain Regard“ in Cannes 2009 lief, danach in Toronto und New York begeisterte und nun auch ins Rennen um den Oscar als bester ausländischer Film geschickt wurde. Finanziell ist die Lage im südwestlichsten Staat Europas allerdings alles andere als sonnig. Das portugiesische Filminstitut ICA hat nur eine einzige Einkommensquelle: Die Steuer für Fernsehwerbung, welche jedoch naturgemäß kontinuierlich sinkt. Trotzdem war das ICA in der Lage, 2009 insgesamt 50 Filme zu fördern, darunter 14 abendfüllende Spielfilme und zwölf Dokumentarfilme. Filmemacher und Produzenten allerdings betrachten die Situation gleichermaßen als katastrophal und haben sich – allen voran Oliveira und Salaviza - im letzten Frühjahr mit einer Petition ans Kultusministerium gewandt, um das portugiesische Kino vor dem Untergang zu bewahren. Eine andere nationale Förderquelle ist der FICA (Cinema and Audiovisual Investment Fund), der aber von seinen 83 Millionen Euro aus öffentlichen und Fernsehgeldern seit 2007 bislang erschreckend wenig investiert hat, und für den nun ein neues Management gesucht wird. Trotz aller Tristesse in der Filmfinanzierung ist Portugal ein durchaus begehrter Koproduktionspartner – zwar überwiegend für Spanien, Brasilien und Frankreich, jedoch hin und wieder auch für deutsche Firmen. Und obwohl das deutsch-portugiesische Koproduktionsabkommen erst seit 1998 existiert, entstand die wohl bekannteste filmische Zusammenarbeit der Länder bereits 1993, als Bille August „Das Geisterhaus“ von Isabel Allende kunstvoll in Szene setzte. Aktuell ist gerade wieder eine Bestsellerverfilmung in der Planung: C-Films Deutschland, Studio Hamburg FilmProduktion GmbH, die Schweizer C-Films und der portugiesische Partner Cinemate sind im Begriff, den weltweit 2,5 Millionen Mal verkauften Roman „Nachtzug nach Lissabon“ auf die filmische Reise zu bringen – und das mit Unterstützung von MEDIA.