"Filme unterstützen, die Perspektiven verändern und das Leben bereichern"

Interview mit Marjorie Bendeck von Connecting Cottbus, 9.–11. November 2022, Cottbus (hybrid)

  • Marjorie Bendeck, Coco

Wenn am 9. November 2022 die 24. Ausgabe von „Connecting Cottbus“ (coco) startet, steht seit vier Jahren Marjorie Bendeck an der Spitze des Ost-West-Koproduktionsmarktes, den sie seit 2018 als Direktorin leitet. Grund genug für ein Interview!

CED: Seit 2018 leiten Sie Connecting Cottbus. Wie haben Sie diese vier Jahre erlebt?

MB: Als ich die Veranstaltung übernahm, war sie in der Branche bereits fest etabliert. Die Pandemie war natürlich eine große Zäsur, aber dank unseres multitalentierten Teams, deren Offenheit und Flexibilität, konnten wir auch durch diese Herausforderung gut navigieren.

Seit 24 stolzen Jahren gibt es Connecting Cottbus. Welchen Stellenwert hat die Veranstaltung inzwischen in Europa?

MB: Der Markt ist vor allem in den osteuropäischen Ländern sehr bekannt und ist ein Branchentreff, bei dem Produzenten aus den entsprechenden Regionen ihre neuen Projekte gerne vorstellen möchten, was wir jedes Jahr erneut an der Zahl der Einreichungen sehen. Wir sind auch sehr stolz auf die überaus hohe Fertigstellungsrate unserer „Alumni-Projekte“.

Inwieweit beeinflusst die aktuelle Weltlage die Finanzierung osteuropäischer Koproduktionen?

Wir befinden uns in einer hochkritischen soziopolitischen Situation mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und den damit verbundenen Folgen, und natürlich ist das mit einer großen Unsicherheit in der Branche verbunden, da die Filmfinanzierung aktuell nicht oberste Priorität hat. Allerdings beobachten wir auch, dass das Interesse an Koproduktionen und das Bedürfnis nach Austausch und Zusammenarbeit nicht schwindet, eher im Gegenteil. 

Wie kann Connecting Cottbus hier helfen?

Unser Markt bietet seit jeher eine Plattform für die Vernetzung von Filmschaffenden und unterstützt so länderübergreifende, kreative Partnerschaften.

19 Projekte werden bei Connecting Cottbus vorstellt. Welche Projekte ragen in diesem Jahr heraus – und welche Themen?

Unsere Projektauswahl vereint jedes Jahr neue Stoffe preisgekrönter Filmemacher sowie aufregende Debütprojekte. Zu den übergreifenden Themen gehören 2022 eine Wertekrise, die beim Aufeinanderprallen von Tradition und Moderne entstehen kann, eine Auseinandersetzung mit Erwartungen, die im Privaten wie im Politischen an Frauen und ihre Körper gestellt werden, und letztlich ein kollektives oder individuelles Ringen mit dem Status Quo, u.a. in der Arbeitswelt oder im Justizsystem.

MEDIA ist seit sehr langer Zeit Partner von Connecting Cottbus. Was zeichnet diese Partnerschaft aus?

Ohne die Unterstützung von Creative Europe MEDIA wäre unser Markt schlichtweg nicht realisierbar und wir sind sehr dankbar für das große Vertrauen, das das Auswahlgremium uns wiederholt entgegenbringt. Für uns ist MEDIA inhaltlich auch ein wichtiger Impulsgeber, der uns in der kontinuierlichen Optimierung und Neubewertung unserer Ausrichtung unterstützt und inspiriert.

Ein anderes und wichtiges Thema: Green Shooting ist in ganz Europa auf dem Vormarsch? Wie ist das „grüne Produzieren“ bei Koproduktionen in mehreren Ländern umsetzbar?

Natürlich ist Green Shooting immer noch mit Herausforderungen verbunden, was wir aber immer wieder feststellen: überall in Europa kennen Produzenten mittlerweile ihre Verantwortung in dieser Frage, und das ist gut so.

Was tut Connecting Cottbus selbst für eine nachhaltige Veranstaltung?

Wir arbeiten seit vielen Jahren mit lokalen Dienstleistern, setzen bevorzugt auf nachhaltiges Reisen mit dem Zug und haben unsere Wegwerfmaterialien in Druck und Catering auf ein absolutes Minimum reduziert.

Welche der jüngeren Projekte von Connecting Cottbus konnten eine erfolgreiche Auswertung erleben?

Wir freuen uns z.B. sehr über KLONDIKE von der ukrainischen Regisseurin Maryna Er Gorbach, die dieses Jahr in Sundance den Preis für die Beste Regie gewann, oder VICTIM von Michal Blaško, eine Koproduktion zwischen der Slowakei, Tschechien und Deutschland, die im September Premiere in Venedig feierte.

Ihr Wunsch: Wie soll Connecting Cottbus in 10 Jahren aussehen?

Als Koproduktionsmarkt möchten wir weiterhin diejenigen unterstützen, die es wagen, zu träumen und ihre Geschichten mit uns zu teilen. Wir hoffen, dass diese Filme - in all ihrer Vielfalt - Perspektiven verändern können und das Leben bereichern.

Vielen Dank für das Gespräch.

Über Marjorie Bendeck: Ursprünglich aus Honduras stammend, hat Marjorie Bendeck einen BA in Kommunikation und Marketing und einen MA in Organisationspsychologie, außerdem studierte sie Filmproduktion in Mexiko und am EICTV in Kuba. Seit 2003 lebt sie in Deutschland, wo sie bis 2012 das Auswahlkomitee von Berlinale Talents leitete, während sie auch für Fonds und Ausbildungsinitiativen in Europa und Lateinamerika arbeitete. Zu ihren Fachgebieten gehören die Bewertung von Spielfilmprojekten sowie Workshops für Pitch-, Drehbuch- und Projektentwicklung. Sie ist regelmäßig als Beraterin für Organisationen wie das Mediterranean Film Institute, Locarno Open Doors, Guadalajara Talents, ACE Producers und den Berlinale World Cinema Fund tätig. Seit 2018 ist Marjorie Bendeck Leiterin von Connecting Cottbus, einem Ost-West-Koproduktionsmarkt, der sich auf die weitere osteuropäische Region konzentriert.

www.connecting-cottbus.de