Creative Europe MEDIA - Die europäische Filmförderung

Der Europäische Filmpreis und die Berlinale Talents, die Shooting Stars, das Internationale Trickfilmfestival Stuttgart, Filme wie "Aus dem Nichts" oder "The Square", aber auch Regisseur*innen wie Susanne Bier, Lars von Trier und Aki Kaurismäki, sie alle sind untrennbar mit MEDIA, der Filmförderung der Europäischen Union verbunden. Die finanzielle Unterstützung ist dabei nur einer von vielen Aspekten, obwohl die Zahlen für sich sprechen: Von 2007 bis 2017 sind 180 Millionen Euro MEDIA Förderung allein nach Deutschland geflossen, seit seiner Gründung 1991 hat das EU-Programm insgesamt 2,4 Milliarden Euro vergeben. Entscheidend ist jedoch, dass die "Mesures pour Encourager le Développement de l´Industrie Audiovisuelle", kurz MEDIA, mit Blick auf den audiovisuellen Markt und das Publikum in allen europäischen Ländern entstanden sind. Die Agenda für Europa orientierte sich an den spezifischen Anforderungen einer Filmpolitik zur Vermittlung und Entfaltung europäischer Werte in kulturell und wirtschaftlich sehr verschiedenen Regionen. In einem Geburtstagsgruß zum 20-jährigen Jubiläum der europäischen Filmförderung hob Dieter Kosslick, Direktor der Berlinale und einer der Gründerväter des Programms und Vordenker eines audiovisuellen Europas, die "kreative Vielfalt der europäischen Medienlandschaft" besonders hervor. Aus dieser Vielfalt resultieren bis heute die zentralen Aufgaben und Herausforderungen von MEDIA, auch wenn sich die Filmlandschaft in den letzten Jahrzehnten stark verändert hat.
MEDIA ist seit 27 Jahren ein Qualitätssiegel für Spiel- und Dokumentarfilme, für Fernsehserien und Computerspiele, aber auch für die geförderten Festivals und Branchenveranstaltungen in ganz Europa und darüber hinaus.

Kreative Vielfalt als Anspruch und Herausforderung
Die europäische Kinolandschaft in den 1980er Jahren ist geprägt von der großen Dominanz amerikanischer Produktionen, gleichzeitig schaffen europäische Filme viel zu selten den Sprung über die eigenen Landesgrenzen. In einer Situation zunehmender Globalisierung und Internationalisierung, die in Europa von der Konstituierung des gemeinsamen Binnenmarktes begleitet wird, zeigt sich immer deutlicher, dass auch zentrale Probleme der Kultur- und Medienpolitik nur auf europäischer Ebene gelöst werden können. Bis 1987 erarbeiteten über 2000 Experten Projektvorschläge und -konzepte für eine gemeinsame europäische Filmförderung, sukzessive wurden zudem der rechtliche Rahmen für die kultur- und medienpolitischen Aufgaben in Europa angepasst. Die Kompetenz im Kulturbereich wird zwar auch im Vertrag von Maastricht 1992 noch uneingeschränkt den Mitgliedstaaten zuerkannt, doch die Union darf sich nun einmischen, wenn sich ein Problem nur gemeinsam lösen lässt und den Gesetzen des Subsidiaritätsprinzips folgt. Als das MEDIA Programm 1991 nach einer Pilotphase in seine erste Laufzeit startet, sind 19 Projekte in 12 Ländern beteiligt, darunter das europäische Filmbüro EFDO (European Film Distribution Office) in Hamburg, aus dem später die European Film Promotion (EFP) mit ihren zahlreichen Aktivitäten für die Bewerbung europäischer Filme hervorgeht. Auch die Animationsfilminitiative Cartoon, das europäische Kinonetzwerk Europa Cinemas und die European Film Academy (EFA), die die Europäischen Filmpreise vergibt, gehören zu den ersten Förderempfängern.
Holde Lhoest, die erste Leiterin des MEDIA-Programms, begründet mit dem finanziellen "Multiplikator-Effekt", den das anfänglich vergleichsweise schmale Budget von 200 Millionen Euro von 1991-1995 hat, eine Gesamtinvestition in den "europäischen audiovisuellen Raum" von mehreren Milliarden Euro. Das Budget von MEDIA steigt kontinuierlich von 310 Mio. Euro für MEDIA II (1996-2000) auf 500 Mio. Euro für MEDIA Plus (2001-2006) und 755 Mio. Euro für MEDIA 2007 (2007-2013). Für Creative Europe MEDIA (2014-2020) wird das Budget noch einmal auf 820 Mio. Euro erhöht. Der Radius, in dem die europäischen Fördermittel ihre Wirkung entfalten, ist mit 39 teilnehmenden Ländern inzwischen mehr als dreimal so groß wie zu Beginn der Förderung.
Die Struktur des Programms wird im Wechsel von MEDIA I zu MEDIA II überarbeitet und in v zentralen Programmlinien zusammengefasst, die politische Umsetzung und die Verwaltung des Programms werden bei der Europäischen Kommission in Brüssel angesiedelt, die durch eine Agentur im Förderalltag unterstützt wird und für die Mittelvergabe ein Netzwerk aus unabhängigen Expert*innen einsetzt.
MEDIA fördert die Entwicklung von Spiel- und Dokumentarfilmen, Fernsehserien und Computerspielen, gefördert unterstützt werden Festivals und Märkte der Filmbranche, Fortbildungsinstitution und Institutionen für Filmbildung in Europa sowie das Kino Netzwerk Europa Cinemas, dem über 2800 Kinos auf der ganzen Welt angehören. Der Schwerpunkt der Förderung liegt mit dem prozentual höchsten Anteil am Fördervolumen beim Verleih und Vertrieb.
Für die Produktion von Filmen wird die europäische Förderung durch Eurimages ergänzt, der Förderung für europäische Koproduktionen des Europarats.
Die kreative Vielfalt Europas zu bewahren und zu fördern, die sich zu Beginn in vielen einzelnen Projekten des Programms an verschiedenen Standorten spiegelt, bleibt eine essentielle Aufgabe für MEDIA. Der Ausgleich zwischen den Ansprüchen großer und kleiner Länder, Produktionen und Vertriebsgebieten ist ein steter Balanceakt. Dazu kommen die Herausforderungen der technologischen Entwicklungen wie zum Beispiel die Konkurrenz für die Kinos durch Online Plattformen, Piraterie, neue Technologien wie VR/AR und vieles mehr, denen die EU-Kommission ergänzend zum MEDIA Programm mit den "Preparatory Actions" begegnet. Gefördert werden innovative und wegweisende Konzepte im technologischen und digitalen Bereich..
Creative Europe hat mit den European Film Foren (EFF), die im Rahmen von Filmfestivals stattfinden, nicht nur eine breite Diskussion der europäischen Kultur- und Filmbranche initiiert, sondern unterstützt die Entrepreneure in Europa auch mit Fördermaßnahmen, die sowohl für die Film- als auch für die Kreativ- und Kulturbranchen interessant sind. Dabei werden zum Beispiel Creative Hubs in ganz Europa unterstützt oder Pilotprojekte zum Thema Crowdfunding. Hier wurde auch ein neuer Garantiefonds mit einem Volumen von 180 Millionen Euro initiiert, der Bankgarantien für die Kreativbranche bereitstellt.
Europa ist die Lösung
In einem begeisterten Bekenntnis zur europäischen Idee hat der Regisseur Wim Wenders, Präsident der European Film Academy, zum 30. Geburtstag des Europäischen Filmpreises das "vielfältige und freie europäische Kino" gelobt. "Europa ist nicht das Problem, Europa ist die Lösung", so der Filmemacher in seiner explizit gegen den erstarkenden Nationalismus in Europa gerichteten Rede. Wenders weist auch darauf hin, dass "unsere europäischen Filme alle einen Nährboden haben, einen regionalen oder nationalen, und das macht auch das europäische Kino aus..." und betont damit eben jene Vielfalt, zu der auch MEDIA beitragen möchte.
Vielfalt und Zusammenarbeit, das sind die zentralen Ideen des Programms und gelebte Kultur in der audiovisuellen Branche. Produzenten arbeiten über die Grenzen hinweg in Kino- und Fernsehkoproduktionen zusammen, Verleiher bekommen von MEDIA Gelder für Filme, die aus einem anderen europäischen Land kommen und somit den Sprung über die nationale Grenze hinaus schaffen, Festivals tauschen Filmprogramme aus und zeigen Länder-Schwerpunkte.
Die MEDIA Desks in allen Mitgliedsstaaten des Programms bilden ein europaweites Netzwerk von über 40 Büros. Ihre Aufgabe ist es, in der vielfältigen europäischen Medienlandschaft an der Nahtstelle zwischen der Europäischen Kommission in Brüssel und der audiovisuellen Branche in den Mitgliedsstaaten zu vermitteln. Die Antragsteller wenden sich mit Fragen an die Kollegen in den fast vierzig Mitgliedsländern, die neben der nationalen Kommunikation zum Programm auch internationale Veranstaltungen für Produzenten, Verleiher und andere Filmschaffende organisieren. So beispielsweise auf der Berlinale das "Share your Slate" Koproduktionstreffen, bei dem sich seit 2004 Produzenten treffen, die ihre Projekte mit Hilfe von MEDIA Slate Funding entwickeln und auf der Suche nach Koproduzenten sind.
So geht europäische Förderung
Der Autorenfilm, der in Europa nach wie vor eine wichtige Rolle spielt, ist ein zentraler Baustein der Förderpraxis von MEDIA. Die Filme von Fatih Akin, Maren Ade, Wim Wenders, Pedro Almodóvar, Lone Scherfig, Michael Haneke, Ruben Östlund, Agnieszka Holland und vielen anderen touren regelmäßig mit Unterstützung von MEDIA durch die europäischen Länder.
Einer der erfolgreichsten deutschen Filme der letzten Jahre, der gleichzeitig eine MEDIA Erfolgsstory schrieb, ist "Toni Erdmann" von Maren Ade, eine Koproduktion der Berliner Komplizenfilm mit Österreich und Rumänien. In den Hauptrollen als Vater und Tochter sind Peter Simonischek und Sandra Hüller zu sehen.
Wie so oft im europäischen Filmgeschäft haben sich die Produzenten auf einer oder gleich mehreren MEDIA geförderten Trainingsinitiativen kennen und einander vertrauen gelernt. Jonas Dornbach von Komplizen Film und Ada Solomon von der rumänischen HiFilm Productions trafen sich 2007 bei EAVE. Seit 30 Jahren bringt das Fortbildungsprogramm mit Sitz in Luxemburg europäische Produzent*innen zusammen und bildet ein entsprechend umfassendes Alumni-Netzwerk, durch das der österreichische Partner, Antonin Svoboda von Coop99 Filmproduktion in Wien, an Bord kam. Janine Jackowski, ebenfalls Komplizen Film, und Ada Solomon waren beide bereits "Producer on the Move", bei der gleichnamigen Netzwerkveranstaltung der European Film Promotion (EFP), die jährlich während des Festivals in Cannes stattfindet. Und sie sind alle drei Mitglied im ACE Netzwerk, das bekannte Produzenten aus ganz Europa durch ein Workshop-Programm zusammenbringt.
"Toni Erdmann" wurde als Teil einer Entwicklungsförderung von MEDIA - Slate Funding - unterstützt, profitierte von Eurimages und auch von zahlreichen deutschen Förderungen und Sendern. 2016 war der Film der seit langem der erste deutsche Wettbewerbsbeitrag beim Filmfestival in Cannes und wurde mit dem Fipresci Preis ausgezeichnet. Es war der Auftakt zu einer Reihe weiterer Auszeichnungen: Bei den ebenfalls von MEDIA geförderten European Film Awards wurde "Toni Erdmann" als bester Film und in mehreren weiteren Kategorien ausgezeichnet, fünf beim Deutschen Filmpreis, er gewann den LUX Preis des EU-Parlaments und wurde deutscher Oscar-Kandidat. Mit MEDIAs Verleihförderung fand die Tragikomödie in 29 europäischen Ländern den Weg in die Kinos. Weltweit hat sich der Film in über 100 Länder verkauft. Ein US-Remake von Paramount Pictur ist geplant.
Investing in Creativity - MEDIA nach 2020
Die Debatte über das Nachfolgeprogramm von Creative Europe ist mit der zweiten Hälfte der Laufzeit des aktuellen Programms eröffnet. Die Veränderungen durch die Digitalisierung in der Filmbranche sind dabei weiter ein zentrales Thema. Mit dem Motto "Europe for Citizens" hat Creative Europe die Zukunft des Programms mit dem konkreten Nutzen der Fördermaßnahmen für die Bürger*innen in den Mitgliedsländern verknüpft. Mariya Gabriel, EU-Kommissarin für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft, betonte bei den Filmfestspielen in Venedig 2017, "dass die ökonomischen und sozialen Bedürfnisse der Bürger wieder ins Zentrum der europäischen Politik" rücken müssten und die Kultur dabei eine entscheidende Rolle spiele. Das Qualitätslabel MEDIA hat dabei sicher auch ab 2021 die Aufgabe, Filme, Festivals, Fortbildungs- und Promotionsmaßnahmen auszuzeichnen, die einen hohen Standard für Europas Kulturschaffen definieren und dabei das Publikum im Blick behalten.